Von Richard Guth
Elisabeth Möllmann, wohnhaft in Moor. Der Name, der mir im Facebook zufällig begegnete, machte mich stutzig. Eine Bundesdeutsche, die sich in Moor/Mór niedergelassen hat (zumal mir der Familienname als Moorer Name nicht geläufig war)?! Oder doch eine Schwäbin, die sich der „alten Gewohnheit” widersetzt und in der Öffentlichkeit ihren deutschen Vornamen trägt (was uns seit der Wende auch offiziell erlaubt ist)?!
Wie ich im Gespräch mit Elisabeth Möllmann erfahren habe, liegt die Wahrheit in der Mitte: Elisabeth Möllmann ist als Elisabeth Stahl im nahe gelegenen Pußtawam/Pusztavám geboren und wuchs bis zu ihrem 23. Lebensjahr in Ungarn auf. „Man nannte mich schon in der Kindheit Elisabeth, wir sind ja Deutsche und sprachen zu Hause in Pußtawam auch deutsch. In Deutschland nannte man mich ebenfalls Elisabeth”, so die Unternehmerin. Als Personalabteilungsmitarbeiterin bei der Firma Ikarus Pußtawam hat sie ihren späteren Mann Günter aus Lotte bei Osnabrück kennen gelernt, der zusammen mit dem legendären Industrieunternehmen Ikarus ein Gemeinschaftsunternehmen gründete. Es folgten 18 Jahre Deutschlandaufenthalt, ehe die Familie kurz nach der Wende teilweise nach Ungarn zog. Dabei hatten sie nach Erzählungen der Unternehmerin mehrere Standbeine: Das Unternehmen Frimo, das auch heute noch in Moor ansässig ist und 300 Mitarbeiter beschäftigt, und den Familienbetrieb im Bereich Gastgewerbe, der in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung hinter sich gebracht hat. Seit dem Tod des Ehemannes ist die Familie hauptsächlich in der Gastronomie tätig.
Angefangen hat alles, als die Eheleute Möllmann ein heruntergekommenes Schwabenhaus in der ersten Straße, die in der Ansiedlungszeit besiedelt wurde, erwarben und originaltreu renovieren ließen. Eigentlich wollten sie, so Elisabeth Möllmann, eine Wohnstätte für die Familie und Unterkunftsmöglichkeiten für die Geschäftspartner schaffen – aus den anfänglichen acht Zimmern des Gasthofs zur Alten Weinpresse wurden im Laufe der Zeit 32, indem die Möllmanns nebenstehende Höfe aufkauften. Hinzugekommen ist ein Restaurant mit schwäbischen Spezialitäten: „Das hat hier damals kein Mensch gemacht”, erinnert sich die Unternehmerin. 2000 wurde der Reiterhof mit Reithalle gegründet, mit 30 Boxen, die man heute vermiete. Versorgt würden die Tiere mit Futter, was auf den Feldern, die die Familie infolge der Wiedergutmachung zurückerstattet bekam bzw. erwerben konnte, angebaut werde. Das Wellness Hotel „Hétkúti” eröffnete 2004 seine Toren – ein besonderes Augenmerk möge sich der Besucher auf die Wandmalerei der Außenfassade richten, so Möllmann, die als Erinnerung an die ersten sieben Schwabenfamilien, die 1690 nach Moor kamen, von der Familie in Auftrag gegeben wurde. Ein Nachfahre dieser sieben Familien ist der im vergangenen Jahr verstorbene Wendelin Schindele, der nach Worten von Elisabeth Möllmann besondere Verdienste bei der Ansiedlung deutscher Firmen nach der Wende erworben hätte. Ein besonderes Unikat des Familienunternehmens stellt die Galloway-Farm dar, die von der Familie Möllmann nostrifizierten Galloway-Rinder leben auf einem 60 Hektar großen Gelände in freier Wildbahn. Das verarbeitete Fleisch der Tiere würde man für das Restaurant bereitstellen.
Das Familienunternehmen beschäftigt mittlerweile 50-55 Mitarbeiter („wir sind groß geworden”) und erzielt einen Jahresumsatz von 400 Millionen Forint (1,25 Millionen Euro). Es gäbe für jedes Ressort verantwortliche Mitarbeiter. Sorgen würden der Unternehmerin der Arbeitskräftemangel und der Druck aufgrund des deutlich höheren Lohnniveaus im westeuropäischen Ausland bereiten – die Arbeitnehmer würden sich an westeuropäischen Gehältern orientieren, was sich nach Elisabeth Möllmann in Ungarn aufgrund der geringeren Kaufkraft immer noch kaum erwirtschaften ließe. Die Kundschaft sei zudem preissensibel, man feilsche oft um 500 Forint (1,5 Euro), so Möllmann. Als weitere Schwierigkeit erweise sich die immer geringere Bereitschaft junger Leute, die im Gastgewerbe üblichen Einsatzzeiten zu akzeptieren. Früher hätte es in Moor viele gegeben, die Deutsch sprachen, mittlerweile dominiere das Englische, Deutsch würden die Arbeitnehmer nur noch als Zweit- oder Drittsprache sprechen. Darüber hinaus „sind sie schockiert, wenn man die Sprache verwenden muss”. Nach Möllmann sollte man an den Schulen den Schwerpunkt anstelle des Grammatikunterrichts auf die Kommunikation legen. Auch in der Kundschaft des Hotelbetriebs hätten sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten Veränderungen vollzogen: Heute spricht man von einer gemischten Kundschaft, nicht zuletzt aufgrund der veränderten Eignerstruktur der Moorer deutschen Firmen, die globaler aufgestellt sind als noch vor 15-20 Jahren. Auf die Kundenwünsche versuche man flexibel und schnell zu reagieren, auch als Konseqenz veränderten Buchungsverhaltens: „Früher erreichten uns in der Woche hundert Briefe, heute tausende E-Mails und Anfragen. Wir sind natürlich auf allen Buchungsportalen präsent.” Im Falle der Konkurrenz, die Elisabeth Möllmann „Mitstreiter” nennt, bemühe sie sich um gute Kontakte, so auch mit dem aus der Schweiz heimgekehrten Paul Molnár, der gerade einen 130 Hektar großen Weinbesitz aufbaut. „Das ist die Rettung für den Moorer Weinbau”, so die Einschätzung von Möllmann. Mit ihrer zweisprachig aufgewachsenen Tochter Esther und ihrem Schwiegersohn Csaba, die gerade ein Kind bekommen haben, scheint die Zukunft des Familienbetriebs gesichert zu sein.
Elisabeth Möllmann engagiert sich aber nicht nur im unternehmerischen Sinne: Ihr liegt nach eigenem Bekunden sehr viel an der Förderung der deutschen Sprache und Kultur im Landkreis Moor: Sie hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Programme organisiert, alte Traditionen wiederbelebt: So auch den Weiberfasching am 11. 11. (um 11:11), was viele von uns nur noch aus den rheinischen Karnevalhochburgen Düsseldorf, Köln und Mainz kennen. Es war auch in der Moorer Gegend Tradition, wahrscheinlich brachten die Ahnen diese Fasnet-Tradition aus der alten schwäbischen Heimat mit – denn an diesem Tag durften Frauen den Weinkeller betreten, was an den restlichen Tagen nur Männern vorbehalten war. Darüber hinaus hat sie die Veröffentlichung der Ortschronik von Alois Schwartz unterstützt und ist unter anderem als Vorsitzende des Deutschen Nationalitätenchores von Pußtawam tätig. Dabei beobachtet sie, wie schwierig es geworden sei, Leute zu mobilisieren und sie dazu zu motivieren Verantwortung zu übernehmen. Die Älteren wollten nicht mehr, unter den Jüngeren gäbe es welche, die sich, zum Beispiel in der Pußtawamer Tanzgruppe, engagierten und sagen würden: „Es wäre gut, wenn es einen Ort gäbe, wo man nur deutsch sprechen würde.” Diese Jugendlichen nennt Elisabeth Möllmann „Fackelträger”. Auf der anderen Seite gäbe es viele, die sich völlig abschotten würden und nichts mit dem Deutschtum zu tun haben wollten, obwohl ihre deutsche Herkunft mehr als deutlich ist. Erfreulich findet die Unternehmerin, dass in ihrem Heimatort sowohl Kindergarten als auch Grundschule von der örtlichen deutschen Selbstverwaltung getragen werden: „Dort fängt es an”, resümmiert sie.
Bild: Facebook-Elisabeth Möllmann