Dr. Jenő Kaltenbach: Das Dilemma der Ungarndeutschen-eine kritische Meinung

Eine kritische Meinung zu den bevorstehenden Wahlen

Fidesz machte damals ein „Geschenk“ für die Nationalitäten mit dem Gesetz, das – theoretisch – die lange ungelöste parlamentarische Vertretung möglich machte. Dabei haben sie es so gedreht, dass nur zwei Nationalitäten, die Roma und die Deutschen, überhaupt dazu eine reale Chance haben sollen. Bei den Roma war es durch die Alleinherrschaft des Fidesz-Manns Florián Farkas bereits gewährleisten, dass nur ein fidesznaher Kandidat zum Zuge kommen kann, und die Deutschen haben Herrn Ritter zum Kandidaten gekürt, der vorher ein Fidesz-Bürgermeisterkandidat in Wudersch war. Ganz schön schlau. Oder eher hinterhältig?

Ein weiterer Vorteil für Fidesz war, dass sie mit diesem Schachzug, durch die weitere Zersplitterung der Stimmen, gleichzeitig die Chancen der Opposition geschmälert haben. Auch nicht schlecht.

Die Minderheitenbürokraten waren verständlicherweise glücklich, sie bekamen doch eine Garantie, dass einer von ihnen zumindest als Sprecher einen Sessel im Parlament ergattert. Die Minderheitenwähler spielten aber nicht ganz (bzw. nur beim Sprecher, was nichts kostet) mit, weil sie das Spiel, vermutlich, durchschaut haben, und nicht bereit waren ihre Möglichkeit, die Geschicke des Landes mitbestimmen zu können, für einen fast wertlosen Posten (bzw. einen Posten, wo die Aufwand nicht im Verhältnis zum Gewinn steht) aufzugeben.

Jetzt stehen wir wieder vor den Wahlen, und die LdU rührt die Werbetrommel für Herrn Ritters erneute Kandidatur. Ich habe in den letzten vier Jahren kaum etwas über die Erfolge unseres Parlamentssprechers erfahren, obwohl ich ein fleißiger Zeitungsleser bin. Es steht zwar auf ihrer Internetseite, dass die LdU Herrn Ritter erneut zum Spitzenkandidat gewählt hat (vermutlich einstimmig), aber ich habe kein Dokument unseres Sprechers gelesen, in dem er über seine bisherige Erfolge, geschweige sein Programm, berichtet hätte. So ist die Gefahr ziemlich groß, dass die vielgepriesene Parteineutralität der LdU nur eine Ausrede ist um sich parteipolitisch engagierte Ungarndeutsche aus der regierungsnahen LdU fernzuhalten.

Es ist übrigens äußerst fragwürdig, ob so eine Personalpolitik mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsprinzip zu vereinbaren ist. Die ungarndeutsche Gemeinschaft ist auch politisch keine Insel, sondern ein gut integrierter Teil der Gesellschaft. Laut LdU kann man nicht gleichzeitig als Ungarndeutscher und als ungarischer Staatsbürger Verantwortung übernehmen, es sei denn, man ist loyal zur Regierung. Demokratieverständnis wie im Mittelalter.

Nun müssen sich die Ungarndeutschen wieder entscheiden, ob sie als Bürger des Landes ihre Zukunft mitgestalten wollen, oder sie schenken ihre Unterstützung einem Kandidaten, dessen Möglichkeiten, milde ausgedrückt, ziemlich begrenzt sind. Die LdU beschreibt zwar mit blumigen Worten die großen Vorteile eines richtigen Abgeordneten, aber die bisherige Geschichte lehrt uns, dass im ungarischen Parlament nicht nur ein einziger Abgeordneter, sondern selbst eine relativ große Oppositionsfraktion nichts bewegen kann. (Es sei denn, die zwei aussichtsreichen Kandidaten, nämlich der Kandidat der Roma und der der Deutschen, haben es eigentlich nur vor mit ihrer „Regierungstreue“ manche Almosen herausholen zu können.)

Da ein Sprecher eigentlich fast „nichts kostet“, wäre das die klügste Lösung, weil jede Stimme, die in der Hoffnung auf einen deutschen Abgeordneten, auch mit Blick auf diese nicht unwahrscheinliche parteipolitische Gefahr, wahrlich eine Verschwendung wäre.

Der einzige Fall, wo ein deutscher Abgeordneter wahrlich wichtig wäre, ist, wenn er das Zünglein an der Waage spielen könnte, aber danach sieht es überhaupt nicht aus. Ungarn steht vor einer Schicksalswahl. Entweder bleibt Fidesz und damit eine korrupte Autokratie, oder die Menschen dieses vielgescholtenen Landes nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand. Da zählt jede Stimme, und es ist eigentlich eine Schande, dass die LdU ihre Wähler in die Irre führt.

Übrigens, die anständige Lösung für die Parlamentsvertretung der Nationalitäten wäre gewesen, wenn nicht die Stimmen auf der Landesliste als Maßstab gelten würden, sondern wenn man, nach dem bekannten Prinzip der personellen Autonomie, gesagt hätte, die Nationalitäten sind zwar nicht geografisch, aber personell eigentlich ein Wahlkreis, also man bekommt ein Mandat, wenn man die Stimmen eines „normalen“ Wahlkreissiegers erreicht hat. Eine andere Lösung wäre, wie es in manchen Ländern praktiziert wird, wenn die Nationalitätenangehörigen eine extra Stimme erhalten würden.

Aber, wie ich es am Anfang beschrieben habe, das Ziel von Fidesz war eigentlich nicht eine anständige Lösung anzubieten, sondern nur den eigenen Machterhalt, auch dadurch, zu sichern. Das Traurige daran ist, dass die betroffenen „Minderheiteneliten“ sich widerstandslos ergeben haben, und so sie ihre Leute, genauso wie die Regierung, ständig belügen.

-Der Artikel ist der eigene Standpunkt des Verfassers-

Foto: www.parbeszedmagyarorszagert.hu

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