Das Leben dem Lehren zu widmen

Kroisbach/Fertőrákos gedenkt seines ehemaligen Schulleiters Johann Fuchs (1902-1973)

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Von Ágoston Frank*

„Homines dum docent discunt.“ (Seneca)

Die Kirche und die Schule: Für viele Jahrhunderte funktionierten diese Orte oft als alleinige Wissensvermittler für die Individuen. Sprachen, Geschichten und Glaube wurden hier erzählt mit der Absicht, die Perspektive des Einzelnen zu erweitern und seine Weltanschauung nachhaltig zu prägen. Obwohl die Bezeichnung alma mater meist für Universitäten benutzt wird – für viele waren und sind die unteren Stufen des Bildungssystems für ihre Auffassung über die Welt auch von besonderer Bedeutung. Der nährenden Mutter der Volksschulen und Mittelschulen ist eine tiefgreifende Formung der eigenen Identität zu verdanken. Und die Lehrerinnen und Lehrer stehen pars pro toto für das preisgekrönte Ergebnis der Institution.

Johann Fuchs ist vor 122 Jahren, in dem heute zum österreichischen Burgenland, damals zum Burgkomitat Ödenburg gehörenden Ort Horitschon geboren.[2] Die für dieses Territorium so charakteristische Zweisprachigkeit begleitete schon von Anfang an sein Leben, als er nach der Absolvierung seiner Schulen in Ödenburg und eines Sommerkurses für Levente-Ausbildung[3] das Lehramt zuerst in Pußtawam/Pusztavám (Burgkomitat Weißenburg) und dann in Warndorf ausübte, möglicherweise sogar parallel.[4] Nach mehreren Beförderungen im kirchlichen Schulsystem[5] wurde er im Jahre 1928 – wieder einstimmig – in sein neues Zuhause gerufen, nach Kroisbach, wo er nicht nur eine Lehrerstelle besetzte, sondern auch die Funktion des Kantors übernahm. So wurde er zur unumgänglichen Figur bei der Identitätsstiftung der Kroisbacher Kinder und Jugendlichen. Dies war der Ort, wo er nicht nur das Leben anderer Familien beeinflusst, sondern selbst die eigene gegründet hat. Seine Frau hatte er in Warndorf/Sopronbánfalva kennen gelernt.[6] Die große Zeitspanne von 16 Jahren zwischen dem ältesten und dem jüngsten der insgesamt sieben Kinder und der dazwischen liegende Zweite Weltkrieg haben sich auf die Weitergabe der deutschen Muttersprache selbstverständlich ausgewirkt. Nach dem Krieg begann das die deutsche Sprache als Sünde stigmatisierenden Regime: Jene, die noch davor geboren waren, durften die mehrsprachige Welt der alpinen Grenzregion von Nordwestdanubien erleben.

Das Leben dem Lehren widmen 2

Und ein kleiner Teil dieser mehrsprachigen Welt – rund um Kroisbach – wurde von Johann Fuchs von seiner Ankunft bis zur großen Zäsur des Zweiten Weltkriegs maßgebend mitgestaltet. Er war für die Wissensvermittlung in der Schule beauftragt und fungierte als Kantor in der Kirche; darüber berichteten die in seiner Amtszeit mitwirkenden sogenannten Marienkinder immer voller Ehre und Nostalgie. Johann Fuchs nutzte darüber hinaus sogar seine Freizeit zur vermehrten Weitergabe der Kultur und Identität. Im Jahre 1930 wurde der Ödenburger Distrikt des Landesverbandes der Ungarischen Gesangvereine gegründet, dem er sich als ländliches Mitglied anschloss. In der Funktion des Kroisbacher Dirigenten brachte er 1931 den jährlichen Bezirks-Sängertag in das Dorf, der so mit dem sechzigjährigen Jubiläum des Kroisbacher Männergesangvereins zusammenfiel.[7] In den 1960er Jahren bekleidete er auch das Amt des Dirigenten bei dem neu gegründeten Kroisbacher Chor des Roten Kreuzes.[8] Seine hingebungsvolle Zuneigung zur Musik zeigt sich auch in der Tatsache, dass er in den Arbeiten eines Gebet- und Gesangbuches nennenswert involviert war.[9] Neben den musikalischen Tätigkeiten bleibt er für das Dorf auch durch seine theatralische Beschäftigung in Erinnerung, da er zahlreiche Volkstücke auf die Bühne brachte, damit diese Art der Kultur nicht nur ein Privileg hoher Gesellschaften der Metropole blieb.[10]

Mutmaßlich größte Anerkennung seiner im Dienste der dörfischen Bildung erbrachten Leistung ist die am 23. September 1943 erfolgte Wahl zum Schuldirektor. Diesen Posten übte er bis zur im Jahre 1948 erfolgten Verstaatlichung aus, seit 1945 aber lediglich als kommissarischer Schuldirektor.[11]

Der Regimewechsel und die damit einhergehende, tiefe gesellschaftliche Veränderung haben sich nicht nur auf seine Direktorstelle ausgewirkt. Wegen seines kantorischen Wirkens und seiner engen Beziehung zur Kirche wurde er immer wieder in den Hintergrund gerückt und letztlich in den Schulhort versetzt.[12] Der dadurch erlittene Kontaktverlust zum tatsächlichen Lehren und das Gefühl der Vernachlässigung, das diese Generation tiefgreifend geprägt hat, dürfte durch die Preisverleihung des „Ausgezeichneten Arbeiters des Bildungswesens“[13] wenig beeinflusst worden sein.

Nach seiner Pensionierung arbeitete er fast bis an sein Todesbett in der Strafanstalt Steinambrückl/Kőhida, wo er mit dem Unterricht der Häftlinge betraut war.[14] Die Formalitäten und Umstände hatten sich aus der Veränderung der Zeit ergeben, der Kern seiner Tätigkeit – die Wissensvermittlung und Kulturstiftung – blieb aber bestehen. Aus diesem Grund war es niemandem eine Überraschung, ihm nach seinem Tod im Jahr 1973[15] eine der ersten Ehrenbürgerschaften der Gemeinde Kroisbach posthum zu verleihen.[16]

Seit September 2023 ist eine Gedenktafel an der Wand der Volksschule zu sehen. Sie

ist ihm gewidmet: 95 Jahre nach der Berufung auf die Stelle des Kantorlehrers, 80 nach

der Ernennung zum Schuldirektor und 50 Jahre nach seinem Tod. Es ist ein Memento

für einen Menschen, der in Warndorf, innerhalb von zwei Jahren mit  „Wissen,

Menschenliebe und vor allem Agilität die Liebe beider Konfessionen verdient hat“.[17] Es

ist nicht schwer nachzuvollziehen, welch eine Bedeutung er dann für Kroisbach haben

könnte. Für die Vertriebenen, die von Mal zu Mal die alte Heimat besuchen, ist ein

Zwischenhalt im Haus des Lehrers Fuchs eine Selbstverständlichkeit, denn der Dank

unseren Lehrern gegenüber hört nie bei den Toren der Schule auf.

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Quelle: https://www.arcanum.com/hu/online-kiadvanyok/SzazMagyarFalu-szaz-magyar-falu-1/fertorakos-4539/iskola-a-plebania-mellett-4737/

[*] Hiermit möchte ich mich bei Hedwig Huber, der Vorsitzenden der Deutschen Selbstverwaltung Kroisbach, und Magdalena Fuchs, der Tochter von Johann Fuchs, für ihre Hilfe und Informationen herzlichst bedanken!

[2] József Hárs, Fertőrákos, (Balázs et al.: Száz Magyar Falu), Iskola a plébánia mellett. Online abrufbar: https://www.arcanum.com/hu/online-kiadvanyok/SzazMagyarFalu-szaz-magyar-falu-1/fertorakos-4539/iskola-a-plebania-mellett-4737/

[3] Soproni Hírlap, 25.08.1926, 4.

[4] Er wurde 1926 einstimmig auf eine Stelle nach Warndorf gerufen (Dunántúli Tanítók Lapja 01.04.1926, 17), ist aber in der Liste von 1927 noch Pußtawam zugeordnet (Magyar Katolikus Almanach, 1927, 304)

[5] Dunántúli Tanítók Lapja, 15.07.1926, 7; ebd. 01.07.1927, 16.

[6] Hárs, ebd.

[7] Soproni Hírlap, 10.04.1930, 3; ebd. 06.09.1931, 4; ebd. 22.09.1931, 22; Oedenburger Zeitung 20.09.1931, 4.

[8] Kisalföld, 01.11.1960, 5.

[9] Rohrer – Fuchs, Gebet- und Gesangbuch. Für unsere Gläubigen, Rábaközi Nyomda és Lapkiadó Vállalat, Sopron 1940.

[10] Hárs, ebd.

[11] ebd.; Szabó, A Szülőföldünk. A Kisalföld pályázat 1967. és 1969. évi versenyére érkezett helytörténeti munkák átdolgozott, gyüjteményes kötete, Győr 1972, 87.

[12] Hárs ebd.

[13] Művelődési Közlöny, 25.06.1965, 216.

[14] Hárs, ebd.

[15] Kisalföld, 11.11.1973, 7.

[16] Kisalföld, 13.05.1994, 7.

[17] Soproni Hírlap, 25.07.1928, 3.

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