Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Das Jakob-Bleyer-Heimatmuseum in Wudersch veranstaltete anlässlich des 150. Geburtstages von Jakob Bleyer Ende Januar eine würdige Gedenkveranstaltung. Andreas Grósz hielt einen Vortrag über das Leben Bleyers, in dem er u. a. auf das Dilemma Bleyers einging: Soll die ungarndeutsche Identität auf der Staatszugehörigkeit basieren und die Deutschen damit letztlich Hungari (Deutschungarn, gleichberechtigte Mitglieder der ungarischen Nation) sein oder soll die gemeinsame Volkszugehörigkeit zu allen deutschsprachigen Ländern Europas – mit Deutschland im Zentrum – die Basis sein.
Bleyer vertrat anfangs die erste Auffassung, nicht umsonst kämpfte er für die territoriale Integrität des Königreichs Ungarn. Er tat dies in Deutsch-Westungarn, im Burgenland, wohl wissend, dass das Burgenland zu einem deutschen Nationalstaat gehören würde. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass ohne diese Grenzziehung die Grenze des deutschsprachigen Raumes weiter westlich verlaufen wäre und die Burgenländer das Schicksal der Ödenburger geteilt hätten: Vertreibung aus der Heimat trotz Staatstreue.
Im Laufe der Jahre und nach erfolglosen Kämpfen änderte Bleyer seinen Standpunkt und stellte die Volkszugehörigkeit in den Mittelpunkt. Das Überleben der Deutschen in Ungarn sei nur mit Hilfe Deutschlands möglich. Die Tragik seines Lebens bestand darin, dass auch dies keine Lösung war. Die nationalen Interessen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches lagen woanders und Deutschland wollte für die deutsche Minderheit keinen Konflikt mit Ungarn eingehen.
Der ungarische Staat, dessen treue Einwohner auch die Deutschen waren, wollte uns nicht und das deutsche Volk, dessen Repräsentant das jeweilige Deutschland war, wollte uns auch nicht.
Seit dieser Erkenntnis und dem Tod Bleyers sind 90 Jahre vergangen. Das Dilemma mag immer noch aktuell sein, die Umstände sind ähnlich.
Es gibt ein Deutschland, das von der Auswanderung der letzten Donauschwaben aus Ungarn profitiert und Kleingeld hergibt, um das Verschwinden der Zurückgebliebenen etwas zu verlangsamen. Es gibt ein Ungarn, das die deutsche Volksgruppe als nationsbildendes Element präsentiert, aber die Nationsbildung basiert auf der madjarischen Ethnizität, d.h. der ungarischen Sprache und Kultur. Die deutsche Sprache und die Deutschen mit deutscher Identität haben darin letztlich keinen Platz. Es ist auch aus der Sicht der Mehrheit verständlich, dass für maximal 100.000 Menschen kein neues nationales Selbstbild entwickelt wird.
Was scheint aus heutiger Sicht der einzige Ausweg aus diesem Dilemma zu sein? Die Frage ist leider einfach zu beantworten: Wenn wir die Tendenzen kennen, wird das Verschwinden der Donauschwaben in Ungarn noch zu unseren Lebzeiten geschehen. Natürlich wird eine immer kleinere Restgruppe erhalten bleiben, aber von diesem Zustand aus führt der Weg nur in eine Richtung: in die Richtung des endgültigen Verschwindens. Die Lösung ist also, dass es niemanden mehr geben wird, der diese Frage stellt. Ohne Fragen gibt es keine Antworten und damit auch kein Dilemma mehr.