Am Gö(l)dj hot’s ned gleege

Von Richard Guth

Am Geld hat es wahrlich nicht gelegen. Denn dafür hat nicht zuletzt der deutsche Abgeordnete Emmerich Ritter ganze Arbeit geleistet. Auch wenn wir auf der Ebene der Finanzierung der Selbstverwaltungen eher von Brocken sprechen können, stieg die Höhe der Gesamtaufwendungen für die Minderheiten in den letzten Jahren trotzdem beachtlich, was sich auch bei uns – der JBG und dem SB – bemerkbar machte. Auch wenn die goldenen Zeiten mit ersten Kürzungen zu Ende zu gehen scheinen, lag es am Geld sicherlich nicht.

Die Zahlen haben viele regelrecht schockiert. Ein Viertel Verlust in nur zehn Jahren! Die Überraschung war umso größer, da viele mit einem weiteren Anstieg der Zahl der bekennenden Deutschen bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Muttersprachler gerechnet haben. Dass die Zahlen in allen vier Kategorien sanken, sorgte für eine große Überraschung, wie das Sonntagsblatt von befragten Ungarndeutschen erfuhr.

Auch wenn die Suche nach den Ursachen erst begonnen hat, können wir dennoch davon ausgehen, dass die Gründe vielschichtig sind und die Herausforderungen, diesen zu begegnen, enorm sein werden. Der demografische Sinkflug der Bevölkerung Ungarns, der 1981 im Geburtsjahr meines lieben, verstorbenen Bruders Christoph seinen Anfang nahm, sorgte bis 2022 für einen Verlust von 10 % der Bevölkerung. Dieser Schwund traf die deutsche Minderheit angesichts ausgeprägter Überalterungstendenzen in ihren Reihen umso stärker. Wanderungsbewegungen bis zum EU-Beitritt Ungarns 2004 spielten sich vornehmlich im Land selbst ab, aber höchst ungleichmäßig: Die Schwäbische Türkei gab im Saldo stets Bevölkerung ab – wie der exzellente Beitrag „Num vere consummatum est” von Patrik Schwarcz-Kiefer zeigt -, wohingegen der Speckgürtel rund um die Hauptstadt Leute anzog. Weder das eine noch das andere war und ist günstig für die Gemeinschaft, denn Zuzug bedeutet(e) auch eine Durchmischung der Bevölkerung und den Rückzug oder den Verlust von Sprache und kulturellen Besonderheiten. Ab 2004 spielt die EU-Binnenmigration einen Faktor, der den demografischen Sinkflug des Landes beschleunigt hat: Die Kennzeichenvielfalt an manch einer Kirmes in Südungarn zeugt von der deutlich gestiegenen Mobilität auch im Kreise der deutschen oder deutschstämmigen Bevölkerung.

Denn in vielen Fällen spricht man bei unserer „Lait” – mittlerweile in den meisten Fällen in Mischehen aufwachsend und sozialisiert – von mehreren Bindungen, was das Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit nicht gerade erleichtert. Die vage Erinnerung an die Oma, die „schwowisch g’red’t hot”, kann die muttersprachliche Erziehung und Identitätsbildung in der Familie nicht ersetzen. Genauso wenig der vorherrschende Deutsch-(Fremd-)Sprachunterricht mit fünf Stunden und ungarndeutschen Inhalten! Die wenigen zwei- oder einsprachigen Schulen stehen da wie Felsen in der Brandung. Dass sich daran wenig geändert hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten – trotz des zarten Pflänzchens der Bildungsautonomie in Form von eigenen Schulen – kreiden einige der LdU an. Dabei sollte man auch andere Faktoren bedenken, auf die die deutsche Selbstverwaltung nur bedingt Einfluss nehmen kann wie die großen Herausforderungen im Bildungswesen heute, in vielen Fällen der Wegfall des Elternhauses als Identitäts- und Sprachvermittlungsinstanz oder die Phänomene einer globalisierten Welt mit der Abkehr von althergebrachten Werten und dem Siegeszug einer englisch geprägten Globalkultur mit einem uniformisierten Kleidungsstil, dem gleichen Musikgeschmack oder von sich annähernden Essensgewohnheiten.

Die deutsche Identität in Ungarn benötigt dringend eine Reform. Eine Reform, die sie attraktiv auch für junge Leute macht! Alleine schon der Demographie wegen: Keiner lebt ja ewig, auch wenn die Glitzer-Werbung einem ein Lebensgefühl der ewigen Jugend vorgaukelt. Wir brauchen eine Reform, die sich gleichzeitig nicht zum austauschbaren Konsumgut degradiert. Dazu braucht es Konzepte, dazu braucht es neue Ideen, dazu braucht es Menschen, die die reformierte deutsche Identität authentisch verkörpern und die Gehör finden. Mit Gö(l)dj is’s net ktaan.

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