Eminescus letzte Lebens- und Leidensjahre

Von Hans Dama

Am 16. Januar fand im Rumänischen Kulturinstitut (RKI) Wien ein Vortrag statt, der sich mit dem letzten Lebens­abschnitt des rumänischen Dichters Mihai Eminescu befasste und der als Fortsetzung der im letzten Jahr vom RKI Wien organisierten Veranstaltung „Mihai Eminescu – Student in Wien“ erfolgte. Der Referent, Hans Dama, vormals Universitätslehrer am Rumä­nisch-Lektorat des Instituts für Roma­nistik der Universität Wien, betonte eingangs, dass die letzten Lebensjahre Mihai Eminescus (1850-1889) von Krankheiten, Erniedrigungen und Fehlbehandlungen, die zu seinem frü­hen Tod führten, geprägt waren und dass in der Eminescu-Forschung viele Meinungen in Bezug auf die Ursachen des Leidens verschiedene Ärzte im In- und Ausland gedeutet wurden bzw. werden, die auf falsche Behandlungs­methoden schließen lassen. Um die Zeitumstände der Ereignisse besser verstehen zu können, beleuchtete der Dama die geopolitischen Lage im da­maligen Europa.

Eminescu setzte sich als Journalist bei der Zeitschrift TIMPUL vehement für den Anschluss Transsylvaniens an Rumänien ein, was die Dreibund Mächte, die das Königreich Rumänien in ihren Bann zu ziehen versuchten, nicht goutierten. Der unbequeme Journalist musste zum Schweigen ge­bracht werden, indem man ihn für „verrückt“ erklärte. Man verfrachtete ihn in die Klinik Dr. Alexandru Șuţu „Caritatea“, wobei Titu Maiorescu diesbezüglich alles minutiös vorberei­tet hatte. Falsche Behandlungsmetho­den schadeten ihm zusehends und man brachte ihn in eine Spezialklinik nach Oberdöbling bei Wien (heute Wien, 19. Bezirk), wo er unter Aufsicht von Dr. Heinrich Obersteiner und des­sen Schwiegersohn, dem Psychiater Dr. Maximilian Leidersdorf, behandelt wurde. Als Diagnose wurden „Mani­sche depressive Krise, Geistesentfrem­dung, Verfolgungswahn“ festgestellt. Nach dem Klinik-Aufenthalt vom 2. November 1883 bis zum 26. Februar 1884 in Oberdöbling kehrte er 1884 über Italien fast vollkommen geheilt nach Rumänien zurück, wo er seine berufliche Tätigkeit wieder aufnahm. Maiorescu hatte die Krankenakte ge­fälscht und mit Syphilis ergänzt, eine grobe Verfälschung, wie später nach­gewiesen wurde, weil der Dichter nie an Syphilis (Lues) er­krankt gewesen, son­dern an einer wahn­sinnigen depressiven Psychose ohne anato­misches Substrat, auch Endogen ge­nannt, erkrankt war. Die falschen Behand­lungsmethoden mit Jod und Quecksilber in der nicht zutreffen­den Lues-Erkrankung schadeten dem Pa­tienten Eminescu enorm. Auch die mehrmals apostro­phierte „geistige Um­nachtung“ entsprach nicht den Tatsachen, denn Eminescu schuf während dieser Zeit seines Leidens hervorragende Werke, wie z.B. die Gedichte De ce nu-mi vii, Kamadeva, La Steaua, Dalila, Scrisoarea a V-a (der V. Brief), die posthum erschienen sind. Alle Vermu­tungen, dass beispielsweise „dunkle Mächte“ den Tod Eminescus verur­sacht hätten, dass er Verschwörungen zum Opfer gefallen wäre, sind reine Spekulationen. Wunden an den Beinen lassen auf eine damals noch nicht be­kannte Diabetes schließen, eine in je­ner Zeit unbekannte Krankheit. Als Ende April / Anfang Mai 1889 auf ty­pische Erscheinungen einer Wasser­vergiftung hingewiesen wurde, die psychische Störungen und kleine kar­diale Synkopen auslöst, war klar, dass diese zu einer letalen kardialen Syn­kope führen können, so wie dies bei Eminescu der Fall war. Bei der Autop­sie haben Herz und Nieren eine verfet­tete Degeneration aufgewiesen, Fol­gen von Quecksilbervergiftungen. Der Tod war also beim Dichter als Queck­silbermyokarditis eingetreten. Alle mit Politik oder mit anderen Faktoren ins Spiel gebrachten Spekulationen haben also mit dem Tod des Dichters nichts zu tun.

Eminescu-Abend 2 2024

Leider hat nach der sogenannten Revolution 1989 eine bis in der Gegen­wart währende Bewegung gegen Emi­nescu eingesetzt, getragen von einer Reihe rumänischer Spitzenintellektu­elle, die die Bedeutung des Dichters für die rumänische Kultur verniedlich­ten. Diesbezüglich betonte der Vortra­gende, dass die Stigmatisierung des schöpferischen Werkes eines Genius ein geistiges Verbrechen bedeute, dass die auf diese Art und Weise begange­nen Ausgrenzungsversuche eines na­tionalen Kultursymbols wie Mihai Eminescu der rumänischen Kultur un­würdig sei.

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