Von Richard Guth
(Juli 2023) Durch buchstäblich blühende Landschaften führt der Weg aus Italien diesmal in die Hafenstadt Pirano/Piran an der slowenischen Adriaküste. Es hat viel in den letzten Wochen geregnet und das ging auch nicht spurlos an der Vegetation vorbei: im Gegensatz zum gewöhnlichen Einheitsgelb – ein Zeichen der sommerlichen Trockenheit – herrscht allseits Grün. Piran/Pirano steht akkurat auf dem Ortsschild und dieses Bild begleitet den Reisenden eigentlich von der Grenzstadt Muggia bis Piran, der wohl schönsten Hafenstadt Sloweniens.
Aber nicht nur das Ortsschild ist zweisprachig, sondern ziemlich alles: Straßenschilder, Aufschriften auf den Geschäften oder eben amtliche Bekanntmachungen. Ich will etwas mehr darüber erfahren, vor allem, ob der Schein trügt oder in diesem Falle Bilingualität tatsächlich eine gelebte Realität darstellt.
Kein einfaches Unterfangen! Denn auf der einen Seite ein lautstarker Sechsjähriger, dem überhaupt nicht nach einem Spaziergang im venezianisch geprägten Pirano zumute ist, auf der anderen Seite Anwohner, die dank internationaler Zeichensprache ihren Unwillen bekunden, mit dem Fremden zu kommunizieren, zumal sich seine Slowenischkenntnisse auf „Dobre dan” beschränken! Inmitten des Geschehens Touristen aus aller Herren Länder, unter ihnen sind viele aus Ungarn, die wohl kaum über den italienischen Charakter des Ortes erzählen können. Heute halten sich ohnehin viele in der Stadt auf, es herrscht nach den Stürmen der Nacht und des Vormittags optimales Ausflugswetter.
Aber dann treffe ich doch einen, der in einem Kunsthandel der Altstadt arbeitet, ein – wie er sagt – Einheimischer unter all den Zugezogenen und Ferienhausbesitzern, die sich nur zeitweise in Piran aufhalten. Der Mann in seinen Dreißigern erzählt, dass es früher fast nur Italiener gewesen seien, die dem malerischen Ort mit italienischer Vergangenheit einen Besuch abstatteten. Heute sei es ein Mix aus vielen Nationen. Er selbst wundere sich selbst über die Zweisprachigkeit und kann sich deren Funktion nicht recht erklären. Dann doch noch, er meint, Italienisch gehöre zum Ort. Die Jugend würde die Sprache in den Schulen erlernen – viermal pro Woche. Ohnehin seien die Beziehungen zum Nachbarland sehr eng. Der Verkäufer, dunkle Haare, dunkle Augen und freundliches Gesicht, meint, die italienische Gemeinschaft von Pirano sei hingegen sehr klein.
Und wie ein Wunder treffe ich in einer Apotheke einen, der sich zu dieser kleinen Volksgruppe zählt. Der Apotheker, höchstens Anfang 40, erzählt bereitwillig über das Italienischsein in Pirano! Die Dame hinter mir in der Schlange wartet geduldig und lächelt. „Wir sind damals 13-14 gewesen in der Klasse mit italienischem muttersprachlichem Unterricht”, erinnert er sich. Er könne die Zahl der Italiener bzw. Italienischsprachigen heute, die bis in die 1950er Jahre die Bevölkerungsmehrheit in Pirano gestellt hätten (Istrisch-Dalmatischer Exodus), gar nicht beziffern. Dennoch sei die Stadt nicht nur im Potemkinschen Sinne zweisprachig: Auch Ämtergänge seien auf Italienisch möglich, die Zweisprachigkeit des Personals in der Stadtverwaltung sei vorgeschrieben. Auch die Dokumente seien zweisprachig. Dies gelte aber nicht nur für Pirano/Piran, sondern genauso für Isola/Izola oder Capodistria/Koper. Darüber hinaus würden slowenische Kinder in den betroffenen Gemeinden Italienisch in der Schule lernen, dessen Berechtigung auch aufgrund der Attraktivität des Nachbarlandes im wirtschaftlichen Sinne sicherlich keiner in Frage stellt.
Da geht es nach dem Kurzbesuch wieder hin: Der kostenlose Zubringerbus zurück zum Parkhaus setzt sich in Bewegung und ich wage noch einmal einen Blick auf die großzügige Piazza einer Stadt mit gelebter Zweisprachigkeit.
Beitragsbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tartini_Square_from_above,_Piran,_May_2009.jpg