Von Richard Guth
Ich durfte die Zeitung einer westungarischen Kommune in der Vergangenheit bereits mehrfach durchblättern. Ein buntes Sammelsurium von unterschiedlichen Beiträgen aus den Bereichen Politik, Gemeinschaftsleben, Kultur oder Sport. Eine Seite widmet man den hier lebenden Nationalitäten, in diesem Falle den Kroaten und den Deutschen. Bei den Artikeln überwiegen „softe“ Themen wie Feierstunden, Ausflüge oder schulische Veranstaltungen. Vielversprechend war die Berichterstattung in der Märzausgabe der Zeitung: Die kroatische Redakteurin stellte ein liturgisches Gesangsbuch vor, das als Spende aus dem Ausland an Pfarrgemeinden mit kroatischer Bevölkerung ging. Die deutsche Redakteurin stellte Gemeinschaftsereignisse rund um den Fasching vor: Hier spielten Grundschulkinder und ihre Schulen die Hauptrolle, die das Rahmenprogramm gestalteten.
Das Interessante daran ist die Wahl der Sprache: Im Falle der Beiträge der Kroaten sind Überschrift und Textteil auf Kroatisch, lediglich eine kurze ungarische Zusammenfassung rundet den Beitrag ab. Bei den Deutschen ist (sind) lediglich die Überschrift (bzw. die Zwischenüberschriften) auf Deutsch, die restlichen Texte auf Ungarisch. Und dieses Muster zieht sich durch jede Ausgabe.
Dies ist umso erstaunlicher, weil die Gemeinde in Westungarn liegt und allein durch die Arbeitsmigration der Kontakt zum Nachbarland Österreich rege ist. Wenn auch hier Englisch einen Siegeszug feiert – was oft seltsame Blüten trägt, wenn man dann bei der Berufswahl feststellt, dass der Nachwuchs wie die Eltern doch im Nachbarland sein Glück sucht und es ohne Deutsch gerade in den bei ungarischen Pendlern beliebten Berufen kaum geht -, sprechen sehr viele die Sprache der Schwäger. Man könnte meinen, dass es sich hier um das offizielle Sprachrohr einer ungarischen Kommune handelt und man ja auch solche Bürger über das Innenleben der deutschen Gemeinschaft informieren will, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.
Mag sein, aber warum verfahren die Kroaten anders und geben ihrer Muttersprache den Vortritt? Eine Erklärung liefert womöglich ein Interview mit der kroatischen Redakteurin, deren Mann ein waschechter Kroate aus dem Mutterland ist. Darin spricht sie von der Bedeutung der bewussten Pflege des Spracherbes der Vorfahren und zitiert dabei einen Bekannten von ihr, der gesagt haben soll: „Über alles (berichten), aber auf Kroatisch!”
Eine Erkenntnis, die auch uns zu denken geben könnte: Das Gesangsbuch der Kroaten soll die identitätsstiftende Rolle des Glaubens und der kroatischen Sprache unterstützen. (Glaubens)Praxis und Sprache sollen also Hand in Hand gehen als Ausdruck einer lebendigen Sprachwirklichkeit, wo man auf den Veranstaltungen die Gäste – auch die eigenen Leute unter ihnen – auf Deutsch begrüßt, untereinander deutsch kommuniziert und Deutsch keine lästige Pflichtübung ist. Sprache lässt sich dabei stets erlernen, Sprachkenntnisse lassen sich jederzeit erweitern und vertiefen. Keiner braucht mehr mit der restriktiven Sprachpraxis der Nachkriegszeit zu kommen – langsam 80 Jahre danach.
Dabei haben die Multiplikatoren wie die deutsche Redakteurin des Blattes eine Vorbildfunktion. Diese gilt es wahrzunehmen – ungeachtet sprachlicher Realitäten. Positive Beispiele dafür gibt es zum Glück zuhauf – sogar auf derselben Zeitungsseite.