Volumen der Förderung der Nationalitäten sinkt nach Jahren – wirtschaftliche und (außen)politische Unsicherheiten werden auch an der deutschen Gemeinschaft nicht spurlos vorübergehen
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Von Richard Guth
In den letzten Jahren jagten immer höhere Summen einander. Dabei fügte sich das steigende Volumen der Nationalitätenförderungen in das Gesamtbild eines immer spendableren Staates ein, wenngleich manche Akteure wie der deutsche Abgeordnete Emmerich Ritter sicher ihren Anteil daran hatten (wohlgemerkt nahm diese Summe auch aufgrund der Tatsache, da viele DNSVW Träger von Schulen, Kindergärten wurden). Eine immer großzügigere Ausstattung der Bethlen-Fördertöpfe für Aktivitäten jeglicher Art, die Erhöhung der Nationalitätenzulage an Schulen, Stipendienprogramm für angehende und aktive Pädagogen – um nur einige Beispiele für den Geldsegen zu nennen! An sich erfreuliche Tendenzen, wenngleich gepaart mit immer genaueren Erwartungen an die Nationalitätenselbstverwaltungen, was das zu Leistende anbelangt.
Man fühlte sich ein wenig in die „reifen” Jahre der Kádár-Ära zurückversetzt (natürlich in einem gänzlich anderen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld), als man die politische Stabilität durch sozialpolitische Wohltaten zu sichern versuchte – manche, wie die Familienförderung, sicher wohlgemeint. Dennoch war das böse Erwachen ab Ende der 1980er Jahre insbesondere wegen steigender Preise schmerzhaft. Aber auch in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre führte eine großzügige Ausgabenpolitik der sozialliberalen Regierung infolge der Weltwirtschaftskrise 2008/09 zur Notwendigkeit harter Einschnitte. Das Coronavirus im Jahre 2020 schien diesmal die Zeitenwende eingeläutet zu haben: Die seitdem zum Teil exorbitant steigenden Preise, Engpässe in vielen Bereichen und der immer deutlicher wahrnehmbarere Klimawandel bringen das gewohnte Gefüge ins Wanken und lassen es als sicher geglaubte Luftschlösser erscheinen – dies nicht nur hierzulande, sondern in der ganzen Welt.
Veränderungen, die auch an unserer Gemeinschaft mit Sicherheit nicht spurlos vorübergehen werden! Das Geld scheint nicht mehr so locker zu sitzen wie in den vergangenen Jahren, jedenfalls könnte man es meinen, wenn man einen Blick auf die Kernziffern des Staatshaushaltes wirft: Die Gesamtsumme der Förderung der ungarländischen Nationalitäten wird im kommenden Jahr knapp 500 Millionen Forint (1,2 Millionen Euro) weniger betragen als in diesem Jahr – bei weitgehend gleichbleibenden Aufgaben, wie auch vom deutschen Abgeordneten Emmerich Ritter moniert. Auch bei anderen Stellen, so auch beim Fondsverwalter „Gábor Bethlen”, wurden Kürzungen beschlossen.
Hinzukommt eine Inflation in zweistelliger Höhe – Experten rechnen am Jahresende, sollten die Preisdeckel bei Energie und Lebensmitteln gänzlich wegfallen, sogar mit 20% -, eine Erfahrung, die jeder von uns beim alltäglichen Einkauf macht: Gerade bei den Lebensmittelpreisen, denn sie stiegen laut dem Statistischen Landesamt (KSH) sogar um 27% (Stand: Juli 2022) in den vergangenen zwölf Monaten deutlich schneller als sonstige Güter des täglichen Gebrauchs, manche Grundnahrungsmittel wie Milchprodukte und Backwaren dabei um mehr als 50 %. Für weitere Unsicherheit sorgen der Ukraine-Konflikt und die Frage nach der Versorgung mit fossilen Rohstoffen. Deren Preis ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen, was die Regierung veranlasste, die Preisdeckelungspolitik der letzten Jahre zu überdenken: So gilt ab dem 1. August für Privathaushalte bis zu einem von der Regierung festgelegten Durchschnittsverbrauch weiterhin der gedeckelte Preis, darüber hinaus aber ein wesentlich höherer Marktpreis. Kommunen wurden von dem Schutzschirm der Preisdeckelung ausgenommen, so zahlen diese seit Sommer einen ermäßigten Marktpreis. Beflügelt wird die Inflation durch einen Forint, der seit einigen Monaten schwächelt und im Mai zum ersten Mal die 400er Grenze überschritt.
Es stellt sich die berechtigte Frage, was diese Entwicklung unsere Gemeinschaft angeht. Eine ganze Menge! Die Kürzung des Gesamtvolumens ist dabei die spürbarste Folge sinkender Einnahmen. Auf der anderen Seite kostet beinahe alles mehr als vor einem Jahr, insbesondere die Kosten für Energie schlagen richtig durch. (Verbilligte Energie steht immer weniger Konsumentengruppen zur Verfügung.)
Nehmen wir eine Durchschnitts-DNSVW, die ein Fest, einen Schwabenball beispielsweise, veranstalten möchte – auch wenn dabei sehr viel ehrenamtlich geleistet wird: Der Catering-Unternehmer verlangt höhere Preise für das Essen, weil er sagt, dass der Bäcker seine Preise bereits dreimal erhöht hat, da alles mehr kostet: Mehl, Energie, Sprit und auch die Löhne der Mitarbeiter in der Bäckerei mussten erhöht werden, denn sie drohten mit Kündigung. Einladungen zum Fest mussten auch gedruckt werden – der Druckereibetreiber klagt neben Lieferengpässen über deutlich höhere Preise für Papier als noch vor zwölf Monaten. Am Ende steht der Tontechniker, der die Lautsprechanlage zur Verfügung stellt und bedient: Seit September kann er keine Rechnungen mehr für Geschäftskunden ausstellen, nur noch für private. Er musste anstelle des Steuertarifs für Kleingewerbetreibende, ung. KATA, einen anderen Tarif wählen, was bei ihm deutliche Mehrkosten verursacht – vom Buchhalter, den er nun engagieren müsste, aber den er nicht findet, ganz zu schweigen. Schlucken kann er das nicht, weitergeben ist auch schwierig: Er denkt jetzt darüber nach, nur noch bei privaten Feiern für gute Laune zu sorgen.
Aber auch andere Sachen bereiten DNSVW-Vertretern Sorgen: Der Raum, in dem man die Sitzungen abhält, also der Sitz der Selbstverwaltung, muss beheizt werden, auch 19 Grad Raumtemperatur verlangt nach Energieeinsatz – vieles wird von den „großen” Selbstverwaltungen zur Verfügung, gestellt gerade in kleineren Gemeinden: Raum, Personal, Know-how. Aber dennoch: Rechnungen müssen beglichen werden. Ob die „große” Selbstverwaltung, juristisch eine eigenständige Person, bei den Heizkosten beispringen kann, ist bei steigenden Belastungen wie deutlich steigenden (Energie)Preisen (die eigene Kita muss auch beheizt werden) und Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer und der Gewerbesteuer (jedenfalls, wo es solche Einnahmen gibt) beispielsweise mehr als fragwürdig, weil dies die auf Kante genähten kommunalen Budgets an ihre Grenzen bringt.
Die Folge wird womöglich eine höchst rationale sein: Aktivitäten im wahrsten Sinne des Wortes auf Sparflamme, was gerade in Zeiten eines Überangebots an Freizeitaktivitäten einen Wettbewerbsnachteil bedeuten kann! Aber noch viel gravierender ist folgender Sachverhalt: In den letzten Jahren wurden im Zeichen der Stärkung der kulturellen Autonomie zahlreiche Einrichtungen übernommen: Wie werden diese Institutionen in der Trägerschaft der deutschen Gemeinschaft die Herausforderungen meistern in Zeiten nominal steigender Ausgaben und gleichbleibender oder sinkender Einnahmen? In einem gesellschaftlichen Umfeld, das von steigenden Lebenshaltungskosten gezeichnet ist, oder bei Lehrerkollegien, in denen es wegen niedriger Löhne seit Jahren rumort?
Eins steht fest: Die fetten Jahren scheinen vorerst vorbei zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Schäden begrenzt bleiben.
Bild: https://www.flickr.com/photos/gertrudk/4651969171