Sváb vagyok oder Isch bin ein Franzos – Identitätsbilder der „Deutschen“ in Frankreich und Ungarn

Von Patrik Schwarcz-Kiefer

Elsaß und Lothringen gelten auch als Urheimat der Ungarndeutschen, ihre Vergangenheit unterscheidet sich aber von den anderen Abstammungsregionen, sie standen nämlich im Laufe der Geschichte sowohl unter französischer als auch unter deutscher Herrschaft. Dies macht das Selbstbild der Einwohner Ostfrankreichs komplexer und für uns in Ungarn interessanter.

Wenn es einen zentralisierteren und nach Homogenisierung strebenden Staat als Ungarn gibt, dann ist es zweifelsohne Frankreich. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden die lokalen Dialekte und Kulturen wie Provençal oder das Bretonische fast ausradiert, um die Republique zu vereinheitlichen. Der einzige Grund für die Existenz der deutschsprachigen Gruppen in Elsass und Lothringen ist der oben erwähnte häufige Herrschaftswechsel. Aber auch aus diesem Grund unterscheiden sich diese Gruppen vom Deutschtum insgesamt. Jeder Herrschaftswechsel bedeutete Krieg für die Einwohner, worunter nicht nur sie, sondern manchmal der ganze Kontinent leiden musste. Für die Elsässer und Lothringer bedeutete die deutsche Volkszugehörigkeit stets einen möglichen Krieg und daraus folgend Zwangsrekrutierung, Frontdienst oder gar den Tod. Deshalb bezeichnen sie sich als Franzosen, die lokale Dialekte sprechen/sprachen und über eine in Frankreich einzigartige Kultur mit eigener Küche (in deren Mittelpunkt Sauerkraut, Bretzel und Wurst stehen) verfügen. Das hat zufolge, dass das Grad der Assimilation sehr stark ist: Die Zahl der Sprecher der dort gesprochenen Dialekte ist stark rückläufig und es beschränkt sich überwiegend auf die ältere Generation und die ländlichen Gebiete. Die Kultur und Bräuche leben aber auch auf Französisch weiter. In einer solchen Welt kann es heutzutage vorkommen, dass die Einwohner stolz auf ihr Franzosentum sind und von einer totalen Abwendung vom Deutschtum in einem deutschen Dialekt berichten. Soweit, dass langsam diese Dialekte leider überall aussterben.

Wenn man die ungarische Geschichte unter die Lupe nimmt, sieht man ähnliche Tendenzen wie in Frankreich, nur mit weniger Erfolg. Obwohl Ende des 19. Jahrhunderts so ein Homogenisierungs- und Assimillierungsprozess auch in Ungarn begonnen hat, wirkte es überwiegend bei den Deutschen und Juden, die anderen Nationalitäten des Königreichs übten großen Widerstand aus. Die Frage bei den Ungarndeutschen dieser Zeit war nicht, ob man zur deutschen Nation gehört, sondern ob man ein guter Ungar sein kann, wenn man deutsch spricht, denkt und betet. Diese Frage stellte sich vor allem für die Donauschwaben, für unsere Ahnen.

Die Tragödie der Ungarndeutschen, die Verschleppung und Vertreibung, hatte auch nicht zur Folge, dass sich die Schwaben von heute vom Deutschtum abwenden. Ganz im Gegenteil, diese Zugehörigkeit wurde zur Basis der Identität. Auch wenn man sich in erster Reihe als Ungar (in vielen Fällen Madjare) definiert, ist man trotzdem für Bayern München und die Mannschaft (wenn sie nicht gegen Ungarn spielen), zieht man eine Lederhose an, isst Bretzel und trinkt Bier. Was aber diese Tragödien zur nachhaltigen Folge hatten, ist der Verlust der Sprache und teils auch der Kultur. Es wird ja mehr Brezel als Pekeschkipfel gegessen und statt die eigenen Volkslieder zu singen, wird von Böhmen geträumt. In so einer Welt kann es vorkommen, dass die deutschstämmigen Einwohner Ungarns stolz über ihr Ungartum und Deutschtum auf Ungarisch berichten. Soweit, dass sich langsam alle assimilieren oder nach Deutschland auswandern…

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