Ein ungarndeutsches Mädchen aus Hedjeß – Petra Folkmann-Papp (19) zu der Frage, was Ungarndeutschtum für sie ausmacht
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Ich heiße Petra Folkmann-Papp, bin 19 Jahre alt – ich wohne in Hedjeß/Hőgyész, die eine Großgemeinde ist und in Transdanubien, im Komitat Tolnau, liegt. Ihre Einwohnerzahl beträgt ungefähr 2800. Im Dorf leben zurzeit vier verschiedene Volksgruppen: Madjaren, Ungarndeutsche, Sekler und Romas. Die Hedjeßer Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung gründete man im Jahre 1989. Ihre Pflicht ist die Verteidigung der Interessen der Ungarndeutschen in Hedjeß. Unter ihren Zielen stehen die Bewahrung und Pflege der ungarndeutschen Traditionen, Kultur und nicht zuletzt die Bewahrung der Muttersprache. Außerdem gibt es einen Deutschen Nationalitätenverein und eine ungarndeutsche Tanzgruppe. Diese sind sehr zusammenhaltende Gruppen, die die Veranstaltungen des Dorfes immer gemeinsam organisieren. Zurzeit beeinflusst das Corona-Virus unser Leben, deshalb können wir wenigere Programme halten. Ansonsten haben wir Anfang des Jahres ein traditionelles Schweineschlachten veranstaltet. In der Faschingszeit wird schon seit Jahrzehnten der Schwabenball organisiert, wo Groß und Klein sich wohlfühlen. Im Mai wird in der Mitte des Dorfes von Burschen ein schöner Maibaum gestellt. Diesen Maibaum tanzt die Tanzgruppe immer zu Pfingsten aus. Da werden auch von anderen Ortschaften Volksgruppen eingeladen. Im Herbst findet wieder eine wundervolle Veranstaltung statt: Das ist unsere Kirchweih. Da gibt es am 8. September ein kirchliches Fest: Mariä Geburt. Dort wird ein Kirchweihbaum aufgestellt, wo man auch ein Kulturprogramm organisiert. Es ist schön, dass diese Gemeinschaft so zusammenhaltend ist, denn „wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft, wer seine Wurzeln vernichtet, kann nicht wachsen.“
So wuchs ich auch in diesem wunderschönen Dorf auf. Hier besuchte ich den Kindergarten und die János-Hunyadi-Grundschule. Ich bin sehr stolz, dass wir mit meiner damaligen Klasse und mit zwei Deutschlehrerinnen jedes Jahr ein Stück auf die Bühne brachten, natürlich in deutscher Sprache. So trugen wir zum Beispiel die Spinnstube, eine ungarndeutsche Hochzeit oder Pippi Langstrumpf vor. Diese sind schöne Erinnerungen für mich. Was noch erwähnend ist, dass im Schulhof sich ein Heimatmuseum befindet, was im Jahre 2002 eröffnet wurde. Es besteht aus vier Räumen: eine saubere Stube, ein Vorzimmer, eine Küche und eine Kammer. Die Einrichtungsstücke sind alle original. In diesen Räumlichkeiten wurde oft für uns, Schüler der Grundschule, Volkskundeunterricht gehalten. Danach besuchte ich das Lajos-Tolnai-Zweisprachige-Gymnasium in Jink/Gyönk. Dort lernte ich viele Fächer wie zum Beispiel Geschichte, Literatur, Volkskunde, Geographie, Biologie in deutscher Sprache. Da legte ich zwei Sprachprüfungen ab: das ÖSD Mittelstufe und das DSD II.
Ich nahm an vielen Wettbewerben teil. So erreichte ich im Jahre 2019 beim Valeria- Koch-Rezitationswettbewerb in Fünfkirchen den 3. Platz. 2020 bekam ich einen Sonderpreis beim Valeria-Koch-Illustrationswettbewerb. Ich nahm auch am TeitschQuiz, am ungarndeutschen Online-Kneipenquiz, teil, da herrschte auch eine herrliche Stimmung und es gab spannende Fragen. Außerdem war ich zwei Jahre lang Mitglied und zwei Jahre lang Chefredakteurin der Schulzeitung Ein-Stein an meinem Gymnasium. Im Jahre 2021 bekam ich die Plakette Lajos Tolnai. Diese Ehre wird nur solchen Schülern zuteil, die am Gymnasium herausragende Leistung erbringen. So bin ich sehr froh, denn diese ist eine Bestätigung, dass ich meine Aufgaben gut gemacht habe. Was ich noch erwähnen möchte, dass ich zwei Jahre lang ein Nationalität-Stipendium des Staatssekretariats für kirchliche und Nationalitätenangelegenheiten der Staatskanzlei bekam, denn ich habe eine herausragende Leistung erbracht, gehöre zu einer der Nationalitäten Ungarns und bin auch auf diesem Gebiet aktiv. Nach meinem Abitur wurde ich an der Uni Fünfkirchen immatrikuliert. Ich studiere Jura, denn dieses Fach ist ein Weg zu meinem Traumberuf.
Wenn mich jemand fragen würde, was ich in meiner Freizeit mache, könnte ich vieles aufzählen, wie zum Beispiel Lesen, Musik hören oder Lernen. Aber was ist mein Lieblingshobby? Eigentlich Tanzen. Diese Beschäftigung bedeutet für mich Freiheit, Freude, Liebe und Vertrauen. Eigentlich tanze ich, seitdem ich laufen kann. Die ersten Tanzschritte habe ich zu Hause im engsten Familienkreise erlernt. In der Hedjeßer Ungarndeutschen Tanzgruppe tanze ich seit 13 Jahren. Warum ungarndeutsche? Denn ich bin ungarndeutscher Abstammung. Ich fühle es in meinem Herzen. Diese Liebe zum Tanzen erbte ich von meinen Ahnen und ich denke, meine Aufgabe ist es, dass ich dieses Gefühl verspüre, bewahre und weitergebe. Warum ist es gut zu tanzen? Das ist eine Art der Kunst. Das lehrt einiges – man muss pünktlich sein und nicht zuletzt ein Rhytmusgefühl haben. Trotzdem fühlt man sich dabei locker und frei. Da muss man nicht sprechen, denn der Tanz sagt jedem etwas anderes. Mit den Gesten zeigt man, was man nicht aussprechen kann. So denke ich, dass ich solange tanzen werde, bis ich lebe, denn ohne Tanzen gibt es kein Leben für mich!
Alles in allem kann ich feststellen, dass der Ungarndeutschtum für mich so viel bedeutet, was ich in Worten kaum fassen kann. Was mich motiviert, ist eigentlich ein Zitat von Ferenc Sebő: „Die Traditionen muss man nicht pflegen, denn sie sind nicht krank. Man muss sie nicht hüten, denn sie sind keine Gefangenen. Unsere Traditionen können nur dann am Leben bleiben, wenn wir sie erleben“. Also ich möchte mein Leben möglichst so weiterführen, wie meine Verwandtschaft es tat und tut.