In einer Welt der schönen Bilder

Von Richard Guth

Vieles misst sich in einer durchmedialisierten Welt an dem Zuspruch der Zeitgenossen in den sozialen Medien mit Hilfe von Likes, Emojis und Kohorten. Man kann mit Hilfe der kleinen Symbole dutzende, wenn nicht hunderte Formen des jeweiligen Gemütszustands vermitteln, so dass jeder weiß, wie einem zumute ist (oder zu scheinen mag). Ganz beliebt sind die Daumen-hochs, Likes oder Gefällt-mir-Angaben, die man oft nur zu leichtfertig tätigt – auch hier mit ganz unterschiedlicher Motivation. Dennoch entwickeln sich diese Likes oft zum Gradmesser von Beliebtheit und Unbeliebtheit von was auch immer, was sich aber oft als trügerisch erweist (siehe oben!).

Vor nicht allzu langer Zeit wurden unserer Redaktion einige Bilder über Pilger zugespielt, die sich auf dem Budapester Kossuth-Platz versammelt hatten, um an einem Weltkongress teilzunehmen und in einer durch und durch säkularisierten Welt die Fahnen und Traditionen hochhaltend – im wahrsten Sinne des Wortes – Flagge zu zeigen. Da ich enge familiäre Bindungen zur Ortschaft pflege, aus der die abgebildeten Trachtenträger kamen, setzte ich mich hochmotiviert an die Arbeit, um die Geschichte hinter dem Bild zu recherchieren.

Solange aber diese Recherchearbeit nicht abgeschlossen war, stellte ich die Bilder von den Pilgern ins Netz – in Begleitung eines kleinen Textes, der auf das gerade Stattgefundene hinwies. Kurze Zeit später prasselte auf den Beitrag ein regelrechter Likeregen – der bescheidene Beitrag zählte danach zu den meistgeliketen, also beliebtesten Beiträgen der letzten Jahre. Natürlich alles im bescheidenen Rahmen, denn wir sind ja ein Nischenprodukt!

Das stimmte mich zuversichtlich, dass auch der Beitrag, ein Interview mit einem der Hauptorganisatoren, den ich persönlich kenne, auf ähnlich hohen Zuspruch treffen könnte. Der Name des allseits – in der Ortschaft ohnehin – bekannten Traditionspflegers prangte gut sichtbar sowohl im Begleittext als auch in der Unterzeile der Überschrift. Die Likes kamen aber nicht. Über eins, zwei schaffte es der Beitrag nicht hinaus.

Enttäuschung machte sich bei mir breit, denn das Thema des Gesprächs war aktueller denn je: „Was oder besser welcher Inhalt steckt hinter den schönen Fahnen, Trachten und dem Flagge-Zeigen”? Ich würde natürlich lügen, wenn ich behaupten würde, keine kritische Einschätzung erwartet zu haben. Diese kam auch, wenngleich mit einer differenzierten Betrachtung. So sollte es eigentlich auch sein, denn unsere Zeit ist komplexer und vielfältiger denn je geworden.

Die Enttäuschung legte sich aber schnell und ich begann, die Frage nach dem Warum zu beantworten. An sich ein schwieriges Unterfangen, man kennt ja die Liker der Bilder und vor allem ihre Lebenssituation nicht. Lag es an dem Format, denn wir leben ja in einer Welt der Bilder(flut)? Bewegte Bilder sind uns vertraut, während Texte als Medium in den letzten Jahren an Einfluss eingebüßt haben. Wer erinnert sich noch an den alten „Spiegel”, das deutsche Nachrichtenmagazin aus dem hohen Norden Deutschlands, das seine Leser Anfang der Neunziger mit Titelgeschichten der Länge von 50-60 Seiten beglückte, was sich heute selbst Hardcoreabonnenten nicht mehr freiwillig antun würden (die Titelgeschichten beschränken sich heute auf 8-10 Seiten, mit viel Bild- und Grafikmaterial). Also Texte sind out, aus der Mode, bewegliche Bilder hingegen im Trend.

Ich habe bewusst eines der drei zuvor veröffentlichten Bilder als Beitragsbild ausgewählt, um den Wiedererkennungswert zu steigern – unter dem Motto: „Leute, hier geht es um die Geschichte, die hinter dem Bild steht!”. Als Motivation, den inneren Schweinehund zu überwinden und das Interview zu lesen – wohl vergebens!

Ich weiß, das Thema Glaubensleben ist eine schwere Kost, auch wenn Glauben und Kirche auch heute noch untrennbar von uns Ungarndeutschen sind – als Teil von Traditionen, die ja in unterschiedlichster Form gehegt und gepflegt werden. Vor allem aber gerne auf Ungarisch, was aber wiederum als doch zu pauschal erscheint!

Mich lässt der Gedanke irgendwie nicht los, dass der deutschsprachige Text die eigentliche Hürde war. Das ist doch denkbar, zumal unter den Likern durchweg Bekannte und Angehörige der Abgebildeten zu finden waren, – wahrscheinlich dank einem Lauffeuer, das sich im Bekanntenkreis verbreitete: „Nézd, ott van egy kép a Pistiről!“

Denn als Ungarndeutscher oder Deutschstämmiger deutschsprachig zu sein (oder jedenfalls der Sprache mächtig zu sein), ist heute trotz vielfältiger Möglichkeiten keine Selbstverständlichkeit mehr. Man hat oft das Gefühl, dass sich dieser Prozess der sprachlichen Assimilation in den letzten Jahren sogar noch beschleunigt hat. Trotz vorhandener positiver Gegenbeispiele!

Gibt es denn einen Ausweg aus dieser Sackgassensituation? Schwer zu sagen – wenn das auch eine Frage nach der Existenzberechtigung der ungarndeutschen Medienlandschaft – so auch des Sonntagsblatts – ist! Konkreter: Lohnt sich überhaupt die ganze Mühe, wenn wir nur von so wenigen bewusst wahrgenommen werden?

Likes sind dabei, um auf den Anfang zurückzugreifen , eine Momentaufnahme trügerischer als Face-to-Face-Reaktionen, also von Angesicht zu Angesicht, wo man seine Empfindungen in aller Öffentlichkeit kundtun muss. Daher stehe ich weiterhin dafür ein, dass wir als Fackelträger die Pflicht haben, in der verlorenen, aber eigentlich jederzeit wiedererwerbbaren deutschen Mutter- oder eher kulturellen Hintergrundsprache die Geschichten hinter den schönen Bildern zu erzählen.

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