Ein Spiegelbild? – LdU-Wahlplakat unter der Lupe

Von Richard Guth

Allen voran die positive Botschaft: Auf dem Wahlflugblatt, neudeutsch Wahlflyer, der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen steht Deutsch an erster Stelle oder frei nach dem auch im Kreise der Ungarndeutschen von vielen geachteten deutschstämmigen Ex-US-Präsident Donald J. Trump „German first“. Eine wichtige Aussage, wenn man an den massiven Sprachverlust der letzten Jahrzehnte denkt – Deutsch ist wichtig für uns, wir stehen hinter dem sprachlichen Erbe.

Gleich links auf der (vermutlich) Vorderseite sind die „Grundprinzipien der Zusammenarbeit“ zwischen dem Parlamentsabgeordneten(kandidaten) und der LdU abgedruckt, ausschließlich in deutscher Sprache, was einen doch ein wenig verwundert. Darin betont man die angestrebte und bereits mehrfach kommunizierte „Parteineutralität“ des von der LdU nominierten Abgeordneten, sollte er wiedergewählt werden, sowie das Vorhaben, über nationalitätenbezogene Angelegenheiten vor parlamentarischen Abstimmungen zu konsultieren und „sich“ über Fragen, die die Gemeinschaft nicht unmittelbar betreffen, „auszutauschen“. Vor dem Hintergrund dessen, wie es in der laufenden Legislaturperiode gehandhabt wurde, eine längst fällige Abmachung, es bleibt zu hoffen, dass diese Konsultationen und Austausche auch stattfinden und das Ergebnis eine bindende Wirkung entfaltet. Auch der letzte Punkt der gemeinsamen Erklärung beinhaltet Wichtiges: „Die LdU und der Parlamentsabgeordnete arbeiten anhand von koordinierten Programmen, sind transparent in ihrer Arbeit und informieren regelmäßig über soziale Medien, Rundbriefe und andere Kommunikationskanäle.“

Die Vorderseite des Flugblatts enthält noch zwei Spalten – der Informationstext in der mittleren Spalte ist auf Ungarisch und angelehnt an die FAQ, frequently asked questions, oft gestellte Fragen, ohne die heutzutage keine kommerzielle Internetseite mehr auskommt. Eine gute Idee seitens der Flugblattmacher. Wen kann man wählen, wann, wie und wo kann der Wahlbürger abstimmen und wer ist Listenführer Emmerich Ritter? – eigentlich Fragen, die man ohne Weiteres auch auf Deutsch hätte stellen und gleich beantworten können. Es wäre aber gewiss ungerecht, der LdU hier irgendetwas zu unterstellen – ich vermute, man wollte es bei einem Flyer belassen, der neben einem dreispaltigen, zweiseitig bedruckten Blatt noch ein einspaltiges und einseitiges Beiblatt umfasst, aber zu Letzterem später mehr.

Bemerkenswert ist die dritte Spalte auf der Vorderseite, die einige Diagramme enthält, akkurat zweisprachig gehalten, auch hier die Inhalte auf Deutsch an erster Stelle – vier Säulendiagramme insgesamt, in denen es um die Entwicklung bei der Zahl der Bildungs- und Erziehungsanstalten in deutscher Trägerschaft, um die Zahl der Nationalitätenstipendiaten im Rückblick, die Höhe der staatlichen Zuwendungen und die Auswirkungen der Erhöhung der Nationalitätenzulage geht. Überall sieht man eine positive Entwicklung seit 2014, was ohne Zweifel mit ein Verdienst der LdU und des Abgeordneten Ritter sein dürften. Die Idee des Diagramms ist zudem als innovativ zu bezeichnen, denn Textlastigkeit, was auch uns Sonntagsblattianern oft und zu Recht angekreidet wird, ist heute mehr als out, also aus der Mode, bildliche Darstellungen hingegen ein Muss. Auf die gewohnte gendergerechte, also geschlechterneutrale Schreibweise mit dem großen I inmitten des zu gendernden Wortes wird diesmal aber verzichtet (warum auch immer), siehe „Nationalitätenpädagogen“.

Auf der Hinterseite des Flugblattes, auch hier drei Spalten nebeneinander, sieht man links und in der Mitte einen inhaltsgleichen Aufruf in deutscher, daneben in ungarischer Sprache, darin betont man die Verdienste Emmerich Ritters und die Möglichkeit, ihn erneut ins Parlament zu entsenden. Unter dem Aufruf findet sich eine Art Mini-Programm des Kandidaten Ritter – darin wird die Bedeutung guter Bildungseinrichtungen, qualitativ hochwertiger Erzieher- und Lehrerausbildung, der Arbeit der Vereine, die noch mehr gefördert werden sollen, und die Bedeutung des Kontakts zum Mutterland betont.

Ganz rechts folgen nun „unsere Kandidaten“, auch hier mit zweisprachigem Begleittext. Aber was einen verwundert, ist die ungarische Schreibweise der Vornamen der Kandidaten – nicht zweisprachig, nicht einsprachig deutsch, sondern einsprachig ungarisch. Eigentlich eine Praxis, die den Großteil der ungarndeutschen Medienlandschaft charakterisiert, wenngleich man insgesamt den Eindruck gewinnt, man handele dabei ziemlich inkonsequent. Ich habe mich schon mehrfach über diese Namenspraxis ausgelassen, aber fügte stets hinzu, dass die (Vor-)Namensgebung und -gebrauch eine ganz persönliche Angelegenheit ist. ABER: Wie sollten wir von den einfachen Lait erwarten, dass sie ihre Kinder Benedikt, Matthäus, Sophie, Lene anstatt Máté, Bence, Zsófia, Léna nennen, wenn unsere Führungspersönlichkeiten in der Öffentlichkeit Imre, Tamás, Terézia, János oder Zoltánné (wie heiß wurde vor dreißig Jahren in der Slowakei die Zwangs-ová-isierung madjarischer Damen diskutiert) heißen?!

Und nun sind wir beim letzten ungarischsprachigen Blatt angekommen, die Wahlmodalitäten, was eigentlich eindrucksvoll die Grundproblematik des Minderheitensdaseins zeigt und mit mehr Geld nach dem Gießkannenprinzip nicht beheben oder sich ändern lässt. Denn wenn wir unsere kleine ungarndeutsche Zone verlassen, bläst eiskalter ungarischsprachiger Wind ins Gesicht – denn in welcher Sprache können wir uns registrieren? „Natürlich“ kennt die Seite des Landeswahlleiters nur eine Sprache, nämlich Ungarisch. Es wäre sicherlich möglich die Seite dreizehnsprachig zu gestalten, aber ob man das überhaupt nutzen würde? Wer weiß. Aber dennoch: Ist nicht das das Essentielle, was unser gleichberechtigtes Dasein ausmachen würde?! Die LdU hätte hier erstmal ein Zeichen setzen können, Instruktionen in zwei Sprachen, und gleich ins Programm aufnehmen sollen: Wir wollen die Schaffung zweisprachiger Strukturen in der Verwaltung ohne Wenn und Aber! Und ihr, liebe Wählerinnen und Wähler nutzt es bitte auch!

Aber wo würde man da eigentlich hinkommen? Denn wir wissen ja: Man kann Äpfel (Madjaren in den Nachbarstaaten) nicht mit Birne (Ungarndeutsche) vergleichen. Vielleicht sollte man einen Vergleich dennoch wagen!

Das Wahlplakat kann man sich hier anschauen: https://ldu.hu/wp-content/uploads/2022/02/2022-wahlflyer-3.pdf

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