Speckschwarte und Einheitsbrei

Von Robert Becker

Im grauen Alltag sind wir, Deutsche in Ungarn, so unklar auszumachen, dass wir einander im Nebel der Einsprachigkeit kaum mehr erkennen können. Von Zeit zu Zeit geht es aber um mehr als nur um uns selbst – das heißt, irgendeine Mehrheit benötigt uns als Zunge der Waage. Nutznießer davon zu sein ist weder nützlich noch möglich, da das wahre Interesse ja jedem Anschein zum Trotz nicht uns, sondern jenen Sphären gilt, wo wir in der Liga höchstens als Ballfänger zugelassen sind.

Wann, für wen und wofür man uns halten will, ja, wir uns selbst halten wollen (!), das ist die Frage. Wollen wir nur eine taktische Manövrierrakete der Mittelstrecke sein, dann sind wir für mittlere Zwecke schnell verpufft. Dann sind wir zwar für Simulatoren – aber auf die Dauer nicht einmal für die Reserve einer Raketenbasis geeignet. Dann haben wir uns aufs Zuckerbrot schmieren lassen, das man nicht einmal als Lebensmittelprobe behält, sondern es benützt, um Fliegen anzulocken, bevor man es den Mastschweinen zum Fraße wirft.

Wir sollen doch nicht wie Maden auf dem Misthaufen sein, die sich so lange winden (von links nach rechts und zurück), bis sie inmitten aller Lebensmittelreste endlich auf die Speckschwarte stoßen, die zwar resch ist, aber schmierig genug, um sich darin einzupuppen. Die ist unter jedem Mist eh nur als Köder hinausgeworfen! Von dem es der Magen verträgt, der sollte sich gerne angeln lassen, nur nicht im Namen (s)einer Volksgruppe aufgetreten!

In uns als gesunde Substanz sollten wir uns davor hüten, in Misthaufen gesehen zu werden. Vor unseren Augen sollten wahre Werte – nicht schweben, sondern als fester Gehweg durch jeden Wirrwarr aller Zeiten dienen. Wir brauchen nicht den heißen Brei, um den wir herumstehen, um – wenn einmal manche um uns wegschauen – einen tüchtigen Batzen vom Finger zu schlecken, denn dabei verbrennt man nicht seinen Finger allein, sondern auch seine Zunge. Nicht weil man die für sonstige Dienste noch besonders schonen sollte…

Dann auch die familiäre Atmosphäre! Wie schön ist es überall, wo es Posten und Positionen gibt, unter Freunden, Vettern und Brüdern zu sein! Es ist eine Erscheinung, die zur Tradition geworden ist. Es soll mir niemand sagen, dass dieses Merkmal nicht zur Eruption der Ganzheit unserer Volksgruppe dient. Dass man von außen nur sieht, dass die genetische Erbsubstanz mancher Blutlinien so hervorragend ist, dass nur von ihnen Abgestammte – sagen wir vom Erbadel unserer Minderheit (das Wort meide ich am liebsten, aber hier und in diesem Fall finde ich es ganz angebracht) – im weiten Bogen von Generationen als Würdenträger fungieren können – wohl ganz bis zu unserem absehbaren Untergang unter ihrer Führung!

Man kann klein und entschlossen sein wie ein Magnet, der auch aus dem unermesslichen Staub jedes Eisenteilchen sammelt und zusammenhält, oder man kann ohne jegliche Anziehungskraft nach eigener Gunst – oder gemäß der Gunst der Stunde – selektieren. Im engsten Kreis darüber tuscheln, beraten, was wohl bis ins weiteste Feld sichtbar sein soll und was bis in die Ohren gerade aktueller Großakteure zu widerhallen hat, damit es Resonanzen gibt, die Berührungs- und Schmierpunkte schaffen!

Statt dessen sollte es uns an unserer Einheit liegen, am Zusammenführen und am Behalten von all dem, was wir noch haben – von all denen, die sich uns noch zurechnen, egal welcher Gesinnung, denn es macht uns nicht schwach, sondern stark, wenn wir nicht monoton und durch und durch berechenbar sind.

Wer ein Ungarndeutscher ist, das kann und darf nicht Ergebnis eines Auswahlverfahrens – welcher Art auch immer – sein. Und wenn man sich nicht auf ein Minimum – sagen wir bei der Ermittlung der Person eines parlamentarischen Vertreters  auf die Art und Weise einigen kann, dass die ganze Sache nicht als eine pure Anbiederung und als ein taktisches Manöver erscheint, so sind wir für so etwas nicht nur nicht gewachsen, sondern auch noch endgültig verloren. Nicht als Minderheit alleine, sondern – und allen voran – als moralisches Minimalmaß…

Selbst wenn manche von uns bis zum Mundschenk, zum Knieschoner oder zum geistigen Wärmekissen aktueller Potentaten – die meinetwegen hundert Jahre und mehr in diesem Land jegliche Macht ausüben können und sollen – aufsteigen und in ihrem Glanz förmlich erstrahlen, tut es sehr wenig zur Frage, wie es um uns als kaum noch existente Volksgruppe steht, denn in der Praxis entscheidet sich alles in der Basis und nicht in der im Verhältnis zu ihr inkohärenten Spitze – die kaum noch etwas mit ihrem Fußvolk zu tun hat -, die aber als vereinzelte Luftballons bei gutem Aufwind und in Stunden der Gunst in ihrem Alleinflug es schafft ganz akzeptable Höhen zu erreichen.

Ganz hingegen der allgemeinen Praxis bringen Frieden und Zusammenhalt jene Früchte, die – nicht nur gezielt zugespielt – Einzelne ernähren, sondern die auf die Dauer uns als Gruppe (als Volksgruppe) als Nahrung dienen und uns an einen Tisch zusammenführen, wo nicht Einheitsbrei auf dem Menü steht, sondern wo man à la carte bedient wird, damit nicht nur alles Vorhandene so schnell wie nur möglich verschlungen wird, sondern dass jeder,  der fähig ist, durch Speis und Trank gestärkt in den Dienst seiner Volksgruppe gestellt zu werden, selbst auch davon geben kann, was er hat. Jeder soll bekommen, was er verdient.

Ellenbogenkämpfe, bewusste Zermürbung, Hintergedanken, Beinstellereien, taktisches Fadenziehen, Machttaktiken in jeder Gunst der Stunde …- sind nur schnelles Holz auf dem Reißigfeuer eines geteilten Glücks unserer zu viel mehr werten Volksgruppe. Wenn wir im Kauderwelsch der Töne unsere gemeinsame Sprache finden, in der wir in der Vielzahl der Meinungen noch als Gleichberechtigte zu- und miteinander sprechen können, werden wir noch trotz gegebener Schwierigkeiten eine Zukunft als Deutsche in Ungarn haben – sonst erwartet uns die ewige Eintönigkeit. Wenn wir unter uns nicht in Frieden leben, werden wir noch nicht ruhen können, selbst wo es uns nur noch in der Form von Amtsfiguren und geschaffenen Positionen im Notfallkasten jeweiliger Regierungen gibt.

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!