Muttersprache verbindet

Als ungarländisch-kroatische Arbeitnehmerin in einem burgenländisch-kroatischen Dorf

Von Richard Guth

Unterpullendorf-Dolnja Pulja – dieses zweisprachige Ortsschild empfängt den Besucher von Unterloisdorf kommend. Im Dorf selbst fallen die zweisprachigen und teilweise einsprachig kroatischen Schilder, Plakate und sonstigen Aufschriften regelrecht ins Auge. An sich nichts Ungewöhnliches, denn zweisprachige Inforträger findet man auch in Ungarn zuhauf, sei es  in von Minderheiten bewohnten Dörfern oder in Ortschaften, wo man nichtungarischsprachige Kunden anlocken möchte! Mein Weg führt diesmal zu einem Kosmetikstudio in der Glavna ulica, der Unterpullendorfer Hauptstraße. Marija (Maja) Habetler-Gregorich erwartet mich zum Gespräch – zwischen zwei Terminen, denn in 30 Minuten kommt der nächste Kunde, der sie höchstwahrscheinlich mit „Dobre dan!« begrüßen wird.

„Es hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet, dass es im neu eröffneten Kosmetikstudio – einem Ableger des Stammgeschäftes in Güns/Kőszeg – eine Mitarbeiterin gibt, die Kroatisch kann”, erzählt die 38-Jährige. Die Sprache spricht sie von zu Hause aus, vor allem dank der Großeltern, die im ungarnkroatischen Bleigraben/Plajgor/Ólmod lebten, das in der sozialistischen Zeit wegen der Nähe zum neutralen Nichtostblockstaat Österreich als Sperrgebiet galt. „Mein Großvater entgegnete, wenn ich ein ungarisches Wort benutzte, dass er das nicht verstehen würde. So war ich gezwungen, im Beisein der Großeltern mich stets der kroatischen Sprache zu bedienen”, erinnert sich die Hand- und Fußpflegerin. Väterlicherseits stammt sie aus dem ungarndeutschen Großdorf/Vaskeresztes, daher der Name Habetler. Ihr Vater, der selten zu Hause war, hat ihr die deutsche Sprache nicht weitergegeben, diese erlernte sie nach eigenen Angaben in der Schule. Dennoch freue sie sich, wenn sie mit den Kunden kroatisch sprechen kann. Heute wohnt Habetler-Gregorich mit Mann und Tochter in Bleigrabens Nachbardorf Siegersdorf/Hrvatski Židan/Horvátzsidány. Ihr Mann wuchs auch in einer Mischehe auf: Väterlicherseits stammt er aus einer kroatischen, mütterlicherseits aus einer madjarischen Familie, Familiensprache war nach Angaben von Habetler-Gregorich Ungarisch.

Ein Sprachmuster, das sich bei Familie Gregorich durchgesetzt hat: Mit ihrer Tochter, die in der Schule in fünf Wochenstunden Kroatisch lernt, spricht sie ungarisch – dennoch liege der Familie viel an der Traditionspflege, Mann und Tochter tanzten in der kroatischen Tanzgruppe. Das sei eine Sprachpraxis, die sich von der der Burgenlandkroaten in Unterpullendorf beispielweise unterscheide. Hier sprächen nach ihrem Eindruck viel mehr Bürger kroatisch – selbst Jüngere. In den Gesprächen mit den hiesigen Kroaten kämen auch die früher viel intensiveren Verbindungen zu Siegersdorf zur Sprache: Die Unterpullendorfer hätten in der Vergangenheit öfters das Kirchweihfest in Siegersdorf besucht, auch auf Vereinsebene sei der Kontakt enger gewesen, wenngleich die Siegersdorfer Vereine auch heute noch viele Einladungen aus Österreich bekämen. Dabei hebt Marija Habetler-Gregorich – genauso wie Mirjana Steiner im jüngsten Sonntagsblatt-Interview (SB 03/2021) – die Rolle des ehemaligen Siegersdorfer Pfarrers (heute Pfarrmoderators) Štefan Dumovits hervor, der sich nicht nur durch die Bewahrung des kulturellen Erbes, sondern auch durch die muttersprachliche Seelsorge verdient gemacht habe.

Nicht nur sprachlich verliere Siegersdorf zunehmend seinen kroatischen Charakter, sondern auch was die Zusammensetzung der Bevölkerung anbelangt: „Wenn ein Haus leer wird, wird es sofort gekauft. Menschen, vor allem Jüngere, ziehen aus dem ganzen Land nach Siegersdorf – in erster Linie wegen der Nähe zu Österreich”, erzählt Habetler-Gregorich. Sie zeigten nach ihrem Eindruck wenig Integrationsbereitschaft, auch beim Dorftag würden viele von den Neubürgern fehlen. Auch viele alteingesessene Siegersdorfer arbeiten im Nachbarland, viele Unterpullendorfer in Wien: Migration bestimmt also den Alltag in beiden Dörfern.

Eine Erfahrung, die seit jeher das Zusammenleben in der Region prägt – dabei mit der Erfahrung, dass Muttersprache Menschen gleichen kulturellen Hintergrunds verbindet und dass eine Minderheitensprache wie Kroatisch im deutschsprachigen Nachbarland von Vorteil sein kann!

Bildquelle:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frankenau-Unterpullendorf_-_Ortstafel_Unterpullendorf_(01).jpg

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