Bloß nicht aufmüpfig sein – oder doch nur business as usual?

Von Richard Guth

Es war eigentlich eine Formsache, dachten viele. Der Minister wird ja doch seine Zustimmung erteilen, – erteilte er aber nicht und so ist der Traum vom dritten Bildungszentrum der Ungarndeutschen geplatzt.

Nun ist man in Ungarn mittlerweile gewohnt, über wahre Hintergründe nicht informiert zu werden. So brodelt ja die Gerüchteküche – eigentlich ´was ganz Ungesundes. Wie schön wäre es, wenn wir dreißig Jahre nach der Wende wieder miteinander diskutieren würden und anstelle Entscheidungen undemokratisch durchzudrücken uns über bevorstehende Entscheidungen austauschen würden. So ist es auch im Falle der Grassalkovich-Grundschule Schorokschar wohl nicht passiert, auch wenn die ablehnende Entscheidung vom zuständigen Minister – so das Gesetz – nicht begründet werden muss. Also business as usual, Alltagsgeschäft – womöglich aber wieder ´mal etwas, woran wir uns zu leicht gewöhnt haben und bei dem wir ein Stück demokratische Freiheitsrechte eingebüßt haben! Denn ist ein Minister eigentlich nicht der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig?

Und da sind wir gleich bei dem nächsten Problem, der fehlenden Autonomie der Schulgemeinden. Welchen Einfluss haben Kollegium, Belegschaft, Eltern- und Schülerschaft beispielsweise bei der Bestimmung der Person des Schulleiters? Eigentlich keinen großen – die dürfen ihre Stimme hören lassen, aber das war es. Entscheiden tut wiederum der zuständige Minister. Nun ist die langjährige Schulleiterin Elisabeth Kreisz wohl in der Übernahmeschlacht gefallen – trotz Widerstands der Schulgemeinde. Aber ihre Stimme zählt ja seit einigen Jahren nicht mehr. Man hört aber, dass auch andere Schulleiterposten im gleichen Schulamtsbezirk nicht wieder besetzt wurden, kandidiert haben wohl die bisherigen Rektorinnen und Rektoren. Also wieder mal Alltagsgeschäft? Oder ist es Teil eines größeren Kontextes, gerade jetzt kurz vor den Parlamentswahlen? Entscheidungen hinausschieben, bis Klarheit herrscht?! Erwartungen hegen, um Leute gefügig(er) zu machen? Wer weiß.

Eigentlich sollte es eine Formsache werden, wie dutzende Male in der Vergangenheit. Fast immer jedenfalls verlief die Übergabe reibungslos, denn alle wollten es. Ich kenne dennoch zwei Fälle, wo eine Übernahme gerade an schwäbischen Bürgermeistern scheiterte bzw. dank ihnen hinausgezögert wurde, bis die beiden Posten 2019 neu besetzt wurden. Danach ging es. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass ihre Argumente gegen eine Übernahme im Kern stichhaltig waren. Also wieder mal Alltagsgeschäft, also darf man nicht davon ausgehen, dass es einen Automatismus gibt, auch wenn man staatlicherseits redlich bemüht ist, die Mustergültigkeit der ungarischen Minderheitenpolitik tagtäglich zu demonstrieren?

Einen Automatismus konnte es qua lex diesmal auch nicht geben, denn nicht alle Schüler (bzw. weniger als 75 %) sind am Nationalitätenprogramm beteiligt. Man könnte nüchtern betrachtet fragen: Ja, was wäre mit den Schülern passiert, die nicht am Nationalitätenunterricht teilnehmen? Die LdU beteuerte, im Falle einer Übernahme auch ihre Rechte wahren zu wollen – und wenn man sich die Entwicklung an den ersten vier von deutschen Selbstverwaltungen übernommenen Grundschulen anschaut, hätte man die Eltern der betroffenen Schüler beruhigen können: So viel hätte sich nicht geändert, auch wenn das Deutsche Nationalitätengymnasium, als anvisierter Fusionspartner, mit seinem ausgeprägten zweisprachigen Profil sicherlich eine gewisse Wirkungskraft entfaltet, sprich die Bilingualität an der Grassalkovich-Grundschule gestärkt hätte.

Dennoch ist es bemerkenswert, dass trotz gründlicher Vorbereitung, so LdU-Chefin Ibolya Englender-Hock, das Projekt doch gescheitert ist. Die LdU vernahm nach eigenem Bekunden ein gewisses Zögern bei den Vertretern der anderen Seite, insbesondere des Bezirksamtes: Eine beliebte Schule, die nun nicht mehr ohne Einschränkung den Schorokscharer Kindern und deren Eltern zur Verfügung stünde – ein denkbarer Ablehnungsgrund, zumal davon auszugehen ist, dass sich der Minister bzw. der zuständige Staatssekretär auf die Stimmen der Basis und der beteiligten Akteure stützt, bevor eine solche Entscheidung getroffen wird.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Reaktion der deutschen Seite zu analysieren: eine betroffene LdU-Chefin, die dies auch öffentlich kundtut, und ein Abgeordneter, der zwar keine Erklärung abgibt, dafür aber – womöglich unter dem Eindruck des Eklats – die Neugründung einer deutschen Schule bekanntgibt, die aber wohl weder die LdU noch die Schulgemeinde (jedenfalls mehrheitlich) wollen.

Wie ist also der Fall zu werten? Hat dieses Mal die deutsche Minderheit verloren, weil sich andere Lobbygruppen durchsetzen konnten? Oder sind Stimmen laut geworden, man sollte der deutschen Landgewinnung Einhalt gebieten? Wir sind ja doch immerhin in Ungarn – bei allem Respekt für Minderheitenschutz – man investiere ja genug (Geld) in die Sache, fast gewinnt man den Eindruck, als geschehe dies gießkannenartig. Also etwa Zuckerbrot und Peitsche? Oder ging es tatsächlich nur um ein bürokratisches Alltagsgeschäft, wo man nach sorgfältiger Abwägung die Interessen der Nichtnationalitätenschüler nicht gewahrt sah? Fragen auf Fragen, auf die man kaum eine Antwort erhalten wird! Schlecht für die Gemeinschaft, der kulturelle Autonomie versprochen wurde, und schlecht für ein Land, das sich so lange schon nach Transparenz und praktizierten demokratischen Grundrechten sehnt! Und auch schlecht für staatliche Stellen, die auf diese Weise den Glauben an einen bürgernahen Staat schwächen!

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