Von Dr. Jenő Kaltenbach
In Deutschland wurde gerade gewählt, in Ungarn wird, hoffentlich, im nächsten Frühling gewählt. Ich beobachtete ganz genau, wie so eine Wahl im Mutterland abläuft. Nun es ist meines Erachtens so abgelaufen, wie es in einem liberalen Rechtsstaat ablaufen sollte. Jeder hatte ein Wahlprogramm, und sie haben dafür geworben. Es war bestimmt manchmal kontrovers, aber eine Schmutzkampagne gab es nicht. Jeder wusste, dass der deutsche Wähler so etwas nicht mag, er würde die Partei sogar dafür bestrafen. Natürlich besteht die deutsche Bevölkerung nicht aus lauter Heiligen, aber der Anteil der anständigen Demokraten ist hoch genug, damit die Wahl eine demokratische bleibt und nicht ausartet. Dazu musste sich selbst eine Partei wie die AfD mehr oder weniger anpassen, hat auch so fast ein Viertel ihrer Wählerschaft verloren.
Es ging natürlich auch in Deutschland vor allem nicht über die Belange der Minderheiten, aber sehr wohl um Gerechtigkeit, Menschenrechte, Teilhabe. Die Minderheitenproblematik spielt in Deutschland, aus historischen Gründen, eine untergeordnete Rolle, man möchte, angesichts der Hitlerei nicht nationalistisch wirken.
Nun in Ungarn ticken die Uhren und die Politik ganz anders. Einerseits sind die politischen Verhältnisse grundlegend anders. Es ist kein Zufall, dass die EU seit geraumer Zeit ein Verfahren gegen Ungarn, wegen dem Verdacht der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, einleitete. Es ist auch bereits absehbar, dass eine durchaus schmutzige Wahlkampagne bevorsteht, schon deshalb, weil sich die Opposition endlich zusammengetan hat, also endlich eine reale Chance gibt, die Regierung abzuwählen, was nicht ein normaler Machtwechsel wäre, sondern ein Albtraum von Orbán und Co. Man hat ihnen nämlich eine lange Haftstrafe wegen Korruption vorausgesagt.
Ungarn hat andererseits, auch aus historischen Gründen, eine ganz andere Minderheitenpolitik. Das bedeutet nicht ein Konzept für die Minderheiten im Land, sondern für die sog. Madjaren jenseits der Grenze, also in der Nachbarstaaten. Damit macht man bis heute Außen- und Innenpolitik. Es ist vor allem den nationalistisch gesinnten rechtsnationalen Parteien, wie z.B. Fidesz, zu verdanken. Aber diese Politik ist selbst für Fidesz unehrlich, weil sie nur wichtig ist, da für sie die Madjaren bzw. Ungarn jenseits der Grenze zuverlässige Stimmenliferanten bei der Parlamentswahlen sind, dafür hat man ihnen die Staatsbürgerschaft verliehen. Die Opposition tut sich da schwer, weil man bei der geringsten Anzeichen von Abweichung von dieser Linie schnell als Landesverräter abgestempelt werden kann.
Nun was tun für die Minderheiten im Land, besonders für die Deutschen?
Bis jetzt war die Sache ziemlich einfach, weil Fidesz bereits seit mehr als zehn Jahren an der Macht klebt, und da man stark vom Wohlwollen der Regierung abhängig ist, hievte man also einen strammen Fidesz-Mann, Emmerich Ritter, ins Parlament, damit das Geld fließen soll. In solchen Dingen sind nämlich nicht die Rechtsordnung, also die einklagbaren Rechte entscheidend, sondern, wie in einem pseudofeudalistischen Land üblich, vor allem Beziehungen, und die lieferte Herr Ritter so gut er konnte.
Sollte das so weitegehen oder nicht?
Über Herrn Ritters tatsächliche Leistungen ist fast nichts in die Öffentlichkeit gedrungen, alles blieb in den Kreisen der Eingeweihten. Vor seiner Wahl damals gab es “natürlich“ auch kein Wettbewerb der Kandidaten. Ritter ist ein Fidesz-Mann, Fidesz ist an der Macht, also ist er der Geeignete. Basta.
Ob es jetzt anders wird, kann man nicht wissen. Na gut, es ist ja noch Zeit. Ich persönlich könnte mir ein öffentliches Bewerbungsverfahren mit mehreren Kandidaten vorstellen. Die Kandidaten sollten selbstverständlich mit einem Programm antreten, damit man die Möglichkeit hat eine gute Entscheidung zu treffen. Möge der Beste gewinnen.
Es wäre auch deshalb ratsam, weil zum ersten Mal seit langer Zeit der Gewinner der nächsten Parlamentswahl nicht absehbar ist. Es ist gut möglich, dass die vereinigte Opposition, die gerade ihre Kandidaten landesweit in einer Vorwahl ausgewählt hat, die Wahl gewinnt und dann, auf Grund der oben beschriebenen Umstände, Herr Ritter nicht unbedingt der ideale Kandidat wäre.
Nun ich wünsche der LdU bei dieser kniffligen Angelegenheit eine weise Entscheidung und viel Mut alte Gewohnheiten zu überwinden und etwas Neues zu wagen.