Von Johannes Maiwald
Die Meinungsführer der ungarischen Öffentlichkeit berichten darüber immer mit Stolz, dass Ungarn seine Minderheiten nicht nur tolerieren, sondern sie mit allen möglichen Mitteln unterstützen würde. Die magyarische Gesellschaft ist also offen und lebt glücklich mit den anderen ungarländischen Minderheiten zusammen. Nicht so wie die Rumänen, Serben, Slowaken, usw. mit den magyarischen Minderheiten in unseren Nachbarländern. Und diese Argumentation kommt sehr oft vor.
Dieses Verhalten der (Mehrheits-)Gesellschaft gegenüber den Minderheiten ist merkwürdig und einzigartig in unserer Region, oder? Falls es überhaupt so ist. Man muss es doch ehrlich zugeben: In Ungarn gibt es so ein Minderheitenleben wie z. B. in Siebenbürgen für die Magyaren nicht. Es ist nicht möglich und wird irgendwie auch nicht befürwortet.
Wenn man sein Kind einsprachig (ausschließlich auf Deutsch) erziehen möchte, ist der erste Kreis, wo das negativ beurteilt wird, unsere ungarndeutsche Gemeinschaft. In der überwiegenden Mehrheit „unserer“ Schulen hat ein Kind, das bis zum ersten Schuljahr auf Deutsch aufgewachsen ist, keine Chancen. Unsere Lehrer werden sagen, dass sein ungarisches Sprachniveau nicht ausreichen würde, um die Nationalitätenschule erfolgreich zu absolvieren. Hätten die Eltern mit ihm mehr Ungarisch gesprochen!
Wenn wir weitergehen, kommen wir bei der Mehrheitsgesellschaft an. Wenn ich nur meine Erfahrungen nehme: Als ich in der Öffentlichkeit mit meinen Bekannten auf Deutsch gesprochen habe, so, dass es für das „Publikum“ klar war, dass die Konversation auch hätte auf Ungarisch laufen können, musste ich bislang immer feststellen, dass man uns alles andere als freundlich angeschaut hat. Einerseits war man wohl überrascht, aber ein bisschen auch feindlich einem gegenüber. Hoffentlich haben die Leser andere Erfahrungen.
Und am Ende kommt man bei den Politikern an, als die Spitze und gleichzeitig Spiegelbild der Gesellschaft. MSZP-Vorstandsmitglied Bárány spricht auf einer heimlich aufgenommenen Tonaufnahme über das Schwabentum des Schaumarer Bürgermeisters im negativen Kontext, was später vom politischen Gegner veröffentlicht und benutzt wurde. Am Anfang des Jahres machten regierungsnahe Publizisten degoutante Witze über die Ausrottung der Deutschen und die Hautfarbe der Schwaben. Im Oktober 2019 war ein Hauptargument im Wahlkampf der Fidesz-Bürgermeisterkandidatin in Weimend, dass man sie wählen soll, damit die Schwaben im Dorf nicht wieder an die Macht kommen. Die Identität des Jobbik-Politikers Koloman Brenner und seine Treue zum Vaterland wurden auf der Webseite 888.hu offen in Frage gestellt.
Wenn diese Frage politisch (und jetzt meine ich im negativen Kontext) nützlich sein kann, dann gibt es dafür auf allen Ebenen Beispiele dafür, dass man keine Berührungsängste hat, diese Karte auszuspielen. Wir können nur hoffen, dass in der Zukunft unsere Volksgruppe in den Wahlkämpfen nur im positiven Kontext vorkommt.
Natürlich würde und will ich nicht sagen, dass dies für alle in Ungarn gilt, so, dass nicht alle Rumänen die Szekler hassen. Was man aber klar sehen sollte, dass Ungarns Toleranz soweit reicht, bis seine Minderheiten nicht als Minderheiten leben wollen. Ich bin mir sicher, dass die Rumänen sehr freundlich wären, wenn alle Szekler unter 70 Jahren in ihren Dörfer untereinander Rumänisch sprechen würden und in der Mehrheit der Minderheitenschulen Ungarisch nur in fünf Stunden pro Woche unterrichtet würde…