Von Dr. Jenő Kaltenbach
Unser Freund, der renommierte Professor für Politologie Josef Bayer schrieb eine hervorragende Analyse über Trump und die Welt der Populisten. Da wir Ungarndeutschen in einem Land leben, das beherrscht wird von einem der schlimmsten Populisten Europas, ist das Thema durchaus relevant, schon deshalb, weil unsere „offizielle“ Presse, die Neue Zeitung (und Co.) sich wie ein Betriebsblatt benimmt und nur darüber berichtet, was im „Betrieb“ los ist, als existiere außerhalb des Betriebs nichts Relevantes für uns.
Dies ist ein weiterer Beweis für meine These über das Inseldasein unserer Gemeinschaft. Die Analyse von Professor Bayer erntete natürlich sofort Kritik von manchen, die sich darüber beschwerten, dass das Sonntagsblatt sich nicht „neutral“ verhalten, sondern sich in die Politik einmischen würde.
Das ist eine alte Leier darüber, ob sich im schönen Ungarland eine nationale Minderheit auch über ihren „Tellerrand“ hinauswagen darf, ohne in ihre gottgegeben Schranken zurückgewiesen zu werden. Leider hat sich seit längerer Zeit in der LdU und auch bei ihrer Vorgänger die Ansicht durchgesetzt, dass man nur für die Minderheitenangelegenheiten im engeren Sinne zuständig ist.
Aber was sind eigentlich die minderheitenrelevanten Sachen? Das sind vor allem natürlich diejenigen, die im Minderheitengesetz (und in manchen anderen, z. B. Unterricht) aufgezählt sind. Das ist aber eine ziemlich engstirnige Auffassung. Wenn sich eine Minderheit nur einigelt und glaubt, dass sie mit der Außenwelt nichts zu tun hat, irrt sie sich gewaltig. Man ist und bleibt immer Teil des Ganzen. Vor allem Teil des Landes, wo man beheimatet ist, aber auch des Kontinents, in dem man lebt, sogar der ganzen Welt. Es ist überhaupt nicht egal, was um uns herum vor sich geht, welchen Weg unser Heimatland oder unser Abstammungsland, die alte Heimat nimmt. Ob man in einem Land lebt, wo Menschen- und Minderheitenrechte Priorität haben, wo die Politik die Spielregeln der liberalen Demokratie einhält, wo das Land sich zur Familie der westlichen Demokratien, zu Werten der EU bekennt oder sich Schritt für Schritt abspaltet und sich in Richtung Osten mit ihren Diktaturen bewegt.
Es ist auch relevant für uns, ob die Politik unseres Landes einen demokratisch gewählten Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt unterstützt oder seinen Vorgänger, einen Berufslügner, Fake News-Verbreiter, dessen Regierungszeit einiges in der Welt verbrochen hat, die Einheit der westlichen Demokratien untergraben hat, Hass und Zwist verbreitet hat. Der große deutsche Schriftsteller Thomas Mann sagte 1943 in seiner berühmten Rede in der Library of Congress: „Es ist ein schreckliches Schauspiel, wenn das Irrationale populär wird.“
Er sagte auch: „Die Politik macht roh, pöbelhaft und stupid. Neid, Frechheit, Begehrlichkeit ist alles, was sie lehrt. Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als eine Lüge.“
Nun ja, Thomas Mann war ja zum Glück auch kein Politiker, aber auf seine Sentenzen sollte man doch, so gut es geht, Rücksicht nehmen, auch wenn man Politiker ist.
Nun, ich fürchte, die Art von Abkapselung, praktiziert von dem „offiziellen“ Ungarndeutschtum, wird uns in dieser turbulenten Welt nicht helfen, ganz im Gegenteil. Wir müssen durchaus dafür sorgen, dass unsere Mitglieder sich durch uns selbst, also durch unsere eigene muttersprachlichen Quellen informieren können darüber, was sich außerhalb der Gemeinschaft vor sich geht, weil das auch für uns enorme Wichtigkeit hat.
Es ist in unserem existenziellen Interesse, dass unser Heimatland gemeinsam mit unserer alten Heimat einen gemeinsamen Weg geht, der uns und unsere Nachkommen in eine sichere Zukunft führt, und gerade deshalb stört mich persönlich, und ich hoffe damit nicht allein zu sein, der Graben, der sich zwischen dem Demokratieverständnis beider Länder auftut. Es ist eine Naivität zu glauben, dass das keine Auswirkung für uns hat. Wir müssen unser Bestes tun, damit die Dinge in die richtige Richtung gehen, auch wenn unsere Möglichkeiten ziemlich begrenzt sind. Die nächste Generation sollte uns nicht dafür mit Recht verurteilen können, dass wir etwas versäumt haben.
Bildquelle:Martina Nolte/Wikipedia