Ófalu, Ohfalla

Von Dr. Jenő Kaltenbach

Das kleine Dorf, eingebettet in einer wunderschönen Natur, umgeben von sanften Hügeln und grünen Wäldern ist mein Geburtsort. Als ich nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, war es ein rein ungarndeutsches Dorf. Die Leute haben scherzhaft gesagt, es liegt so versteckt im Wald, dass es weder vom ungarischen Staat noch von der Roten Armee entdeckt, also niemals „befreit“ wurde.

So war es lange Zeit kein Problem die deutsche Identität zu bewahren, zumindest was man darunter verstand. Die ältere Generation sprach eigentlich nur die örtliche Mundart und ziemlich gebrochen Ungarisch, obwohl die Unterrichtssprache schon damals das Ungarische war. Das hatte in anderen Orten des Landes die Folge, dass diejenigen, die nach der Vertreibung in Deutschland angekommen sind, weder richtig Deutsch noch Ungarisch konnten. Im Falle von Ohfalla galt es nur für Ungarisch, weil dank seiner versteckten Lage (?) die Ohfallaer von der Vertreibung verschont geblieben sind.

Die moderne Zeit brachte aber viele Veränderungen. Die Bevölkerung des Dorfes hat sich halbiert. Vor allem die jüngere Generation zog weg, und auch derjenige, der geblieben ist, pendelte aus dem Dorf zur Arbeit in die umliegenden Städte.

Auf diese Weise wurde die örtliche deutsche Identität bis zur politischen Wende schrittweise zurückgedrängt. Das einzige Organ, das es damals hätte aufhalten sollen, war der Verband der Ungarndeutschen (VdU), aber er war weder finanziell noch organisatorisch in der Lage dies zu tun. Man kann sogar Zweifel daran haben, ob der Verband dies überhaupt beabsichtigt hat, da er eigentlich eine Schaufensterorganisation des Staates gewesen war. Es hat sich eine ungarndeutsche „Elite“, eher eine Kaderbürokratie gebildet, die vielmehr den eigenen Interessen als den des Fußvolkes diente.

Die demokratische Wende in den Neunzigern nährte die Hoffnung, dass die Bewahrung der deutschen Identität wieder eine Chance bekommt. Das Minderheitengesetz schuf den juristischen Rahmen für eine legitime, von unten aufgebaute Interessenvertretung, wenn auch mit einem stark hinkenden Autonomiegebilde.

Man dachte einerseits, dass die alte Angst des ungarischen Staates vor Entfremdung, anhand der politischen Realitäten, überwunden ist, andererseits die deutsche Minderheit endlich eine Organisation bekommt, die sich nicht für sich selbst, sondern für die Leute einsetzt.
Mittlerweile wurden die demokratischen Träume sowohl der Ungarn als auch der Ungarndeutschen zu Grabe getragen. Sowohl örtlich als auch landesweit hat sich eine autokratische Mentalität und dementsprechende Struktur herausgebildet, mit immer gleichen Personen, unabwählbar.

Berufsungarndeutsche, die davon gut leben können, also passen sie sich an die Anforderungen des ungarischen Staates an, der weiterhin wenig Interesse an einer multikulturellen Gesellschaft zeigt.

Dabei wird in Ohfalla immer weniger deutsch gesprochen. Die örtliche Mundart verschwindet langsam, aber sicher, und wird nicht von Hochdeutsch, sondern eher von Ungarisch ersetzt. Dreihundert Jahre deutsches Leben geht langsam zu Ende, was selbst dann traurig ist, wenn man weiß, dass in der heutigen Zeit kaum etwas stabil, dauerhaft ist.

Alles befindet sich im Umbruch, nur der nationalistisch-autokratische Charakter des Landes scheint sich trotz EU, offenen, überwundenen Grenzen, Freizügigkeit, usw. nie zu ändern.

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