Von Richard Guth
Bilder und Video der Freude und Ausgelassenheit –ein deutscher Nationalitätenchor feiert Jubiläum. Ein Anlass, den sie zu Recht feiern. Stutzig macht mich nur ein Tableau mit den Sängerinnen und Sängern. Dass sie ungarische Vornamen tragen, daran sind wir gewohnt. Aber dass der Name des Chores nur auf Ungarisch aufgeführt ist, wirft doch Fragen auf. Diese habe ich auch prompt geäußert (mit dem Hinweis, dass ja bei einem deutschen Chor wenigstens alles zweisprachig sein sollte) – und prompt unterschiedliche Antworten bekommen. Manche bedankten sich für den Hinweis, den sie beherzigen wollten, andere verwiesen auf die zweisprachige Internetseite des Chores. Zweisprachig sind in der Tat die Menüpunkte, die Inhalte dahinter aber eher einsprachig ungarisch. Immerhin, denn die meisten deutschen Kulturgruppen haben einsprachige (sprich ungarischsprachige) Internetseiten. Ein weiteres Chormitglied wies darauf hin, dass man den offiziellen Namen des Chores auf diesem Tableau aufgeführt habe und dieser sei ja auf Ungarisch. Dem habe ich in meinem Antwortkommentar den deutschen Namen des Chores hinzugefügt, den das besagte Chormitglied als etwas erkennt, was auf der Chorfahne stehe – aber anscheinend ohne praktischen Nutzen.
Dass die deutsche Sprache im Leben des Chores (bis auf die deutschen Lieder, die sie daneben auch ungarisch und lateinisch singen) kaum eine Rolle spielt, beweist die Videoaufnahme vom Jubiläum, die man im Internet hochgeladen hat. Konferiert wird die Feierstunde von einem leitenden Chormitglied ausschließlich auf Ungarisch. Die einzige Person, die in diesem Mitschnitt die deutsche Sprache benutzt, ist der Vorsitzende der örtlichen deutschen Selbstverwaltung, aber auch er wechselt nach drei Sätzen ins Ungarische, was von Gelächtern (der Erleichterung oder der Gewohnheit) begleitet wird. Im deutschen Teil sendet die Moderatorin deutliche Signale hinaus, als verstünde sie Deutsch. Warum verwendet sie Deutsch nicht? Weil das irgendwie nicht mehr erforderlich sei, da ja alle des Ungarischen mächtig sind und es vor sechzig Jahren verpönt war, in der Öffentlichkeit deutsch zu sprechen?! Weil man die Sprache nicht mehr von zu Hause aus spricht und daran auch die Schule einen maßgeblichen Anteil hatte? Hat man aber schon mal von Vorbildfunktion gehört, gerade für die kommenden Generationen? Gäbe es nicht die Möglichkeit diese Ahnensprache nachträglich zu lernen und zur Übung mit anderen zusammen zu sprechen? Was macht dann das „Deutschsein” dieses Chores aus? Dass sie auch ein paar deutsche Lieder singen oder deutscher Abstammung sind?! Ich fürchte, das ist zu wenig.
Da kommen mir die Worte der slowakeimadjarischen Forscherin Dr. Zsuzsanna Lampl-Mészáros, mit der wir in der letzten Ausgabe des Sonntagsblattes ein Interview geführt haben (SB 01-2019), in den Sinn: Ohne Sprachgebrauch keine Identität.
(Das Foto ist nur Illustration)