Von Normalitäten und Abnormalitäten – An den Rand eines Aushangs

Von Richard Guth

Zufälle fördern oft interessante Dinge zutage – nicht anders erging es mir an einem kalten Novemberabend, als ich auf die Seite des Bistums Temeswar gestoßen bin. Diese Diözese gehört zu den jüngeren und ist somit ein Produkt des Friedensvertrags von Trianon: Sie entstand aufgrund der Dreiteilung des vormaligen Bistums Tschanad mit Sitz Temeswar in Temeswar (Rumänien), Segedin-Tschanad (Ungarn) und Großbetschkerek (Serbien). Das Bistum wurde von 1930 bis 2018, bis zur Emeritierung von Bischof Martin Roos, der bis zu seiner Ernennung im Jahre 1999 in Deutschland diente, von rumäniendeutschen Geistlichen geleitet. Seit diesem Jahr steht der Diözese ein Sekler vor, József-Csaba Pál, der in deutschsprachigen Beiträgen stets „Josef-Csaba Pál” genannt wird. Deutschsprachige Beiträge – richtig! Die Facebook-Seite der Diözese ist nämlich mehrsprachig: Generell werden Gottesdienstordnungen, kirchliche Nachrichten und ortsbezogene Beiträge, die Ortschaften mit deutscher Bevölkerung betreffen, dreisprachig publiziert – auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Es gibt auch andere Beiträge, wo es um das kirchliche Leben der Banater Kroaten geht, unter anderem Aufzeichnungen von Heiligen Messen, die natürlich einsprachig kroatisch sind, Predigt inbegriffen. Diese Praxis der Mehrsprachigkeit gilt auch im Falle der unten stehenden Gottesdienstordnung der Hauptkirche „St. Georg” in Temeswar – neben der Multilingualität weist dieser Gottesdienstordnung noch andere interessante Dinge auf: Es gibt jeden Sonntag eine deutschsprachige Heilige Messe, und drei Frühmessen unter der Woche sind ebenfalls in deutscher Sprache. Angesichts der zahlenmäßigen Stärke der Deutschen in Temeswar (im Jahre 2011 lebten 4193 Deutsche in der Stadt, 1,2 % der Bevölkerung) nach dem Exodus der letzten Jahrzehnte eine äußerst faire Regelung. Gehalten werden diese Messen (jedenfalls in der Referenzkirchenwoche) von einem madjarischen Priester (Péter Tamáskó) und von einem – vermutlich – kroatischen  Geistlichen (Nikola Lauš). Tamáskó hält neben deutschen Messen welche in seiner Muttersprache, der kroatische Lauš Gottesdienste in rumänischer Sprache. Ein Kroate, der die deutsche Messe hält – wie war das nochmal in Sombor? Unser Gastgeber Herr Beck erzählte damals, dass jeder der sechs Pfarrer der Opština imstande seien deutsche Messen zu lesen. Beide Geistliche bieten zur gleichen Zeit Beichtgelegenheiten an – sicherlich kein Zufall, denn so wird gewährleistet, dass man in allen drei Sprachen – und sicher noch auf Kroatisch – seine Sünden bereuen kann. Da klingen mir die Worte von Domkanoniker Johann Palfi (Altötting) in den Ohren, mit dem wir vor zwei Jahren ein Interview geführt haben – die Pfarrer der Diözese Temeswar mussten imstande sein, das mehrsprachige Kirchenvolk in der jeweiligen Muttersprache zu betreuen.

Seitenwechsel – die Seite der Diözese Fünfkirchen erwartet ihre Besucher in drei Sprachen – auf Ungarisch, Deutsch und Englisch, viele Inhalte akkurat in die beiden Fremdsprachen übersetzt. Stutzig macht mich das Fehlen der kroatischen Sprache, leben doch Ungarnkroaten in größerer Zahl und mit Wallfahrtsort in Jud/Máriagyűd unweit des Diözesansitzes. Beim Menüpunkt „Gottesdienstordnung” erfahren wir, dass es neben ungarischen Messen welche in Latein gelesen werden. So besteht kein Zweifel, dass die Informationen in Deutsch und Englisch lediglich touristischen Zwecken dienen. Bestärkt wird dieser Eindruck durch einen Besuch auf der Seite der Fünfkirchner Pfarrgemeinden, diese nur noch einsprachig ungarisch. Ungerecht sollte man dennoch nicht sein, denn – im Gegensatz zu anderen Diözesen wie zum Beispiel zum Bistum Weißenburg, in der in größerer Zahl Deutsche und Slowaken leben – das Bistum Fünfkirchen verfügt über einen deutschen (wie kroatischen) Referenten und man – besser gesagt das Valeria-Koch-Schulzentrum in Zusammenarbeit mit Pfr. Stefan Wigand – bemüht sich um die Wiederbelegung der Tradition der deutschen Messe in der Bischofstadt, die 1989 von Pfarrer Franz Galambos-Göller eingeführt wurde und die in regelmäßiger Form vor anderthalb Jahren abgeschafft wurde. Es fehlte, so die Begründung, an Gemeindemitgliedern (und wohl auch an Priestern).

Der eklatante Unterschied ist dennoch mehr als deutlich – die Tradition der Mehrsprachigkeit (und wohl Toleranz) trifft sich auf die Tradition der Einsprachigkeit (und so oft Intoleranz). Dabei ist auch unsere eigene Verantwortung, die der Deutschen in Ungarn, nicht zu leugnen, wenn ich daran denke, wie leichtfertig man mancherorts mit Möglichkeiten, unsere Rechte einzuklagen, umgeht.

Quelle: Episcopia Romano-Catolică / Dözese Temeswar

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