Was kommt nach der „Bühnenkultur”?

von Richard Guth

Vor einiger Zeit tauchte im Internet eine Ankündigung auf. An sich nichts Besonderes, denn gerade im IT-Zeitalter lassen sich Informationen schnell mitteilen und werden wieder modifiziert oder revidiert. Eine Musikgruppe teilte mit, dass sie sich musikalisch verändern werde, was ihr gutes Recht ist. Als Begründung führte sie die immer geringere Nachfrage seitens ungarndeutscher Jugendlicher nach authentischer schwäbischer Musik an. Dies würde nach Ansicht der Bandmitglieder damit zusammenhängen, dass immer weniger Menschen die Texte und die Botschaft der Musikstücke bzw. Lieder verstehen würden. Sie meinen, dass sie nicht imstande wären, das Unaufhaltsame aufzuhalten. Als Konsequenz will die Musikgruppe sich einen neuen, volkstümlichen Namen zulegen und die deutschen bzw. schwäbischen Texte ins Ungarische übertragen und diese auch in der Sprache vortragen, die auch jeder verstehe. Das würde im Falle, so die Kommentatoren, eine Zäsur im Leben dieser Gruppe bedeuten, denn diese habe sich bislang um die Pflege und Verbreitung authentischer ungarndeutscher Musik bemüht, was die verfügbaren CD-Aufnahmen aus den vergangenen Jahren nur zum Teil bestätigen. Die Ankündigung löste unterschiedliche Reaktionen aus, darunter auch etliche kritische, die sich – neben persönlicher Kritik – auch gegen die Aussage richteten, wonach die authentische, schwäbische Volksmusik zum Tode verurteilt sei. Eigentlich erfreuliche Reaktionen, die zeigen, dass man sich in dieser Sache unter den Ungarndeutschen durchaus unterschiedlicher Meinung ist.

Dennoch ist gerade die Analyse der sprachlichen Situation bemerkenswert ehrlich. Dass die jungen Generationen, bis auf einen kleinen Kreis, die Sprache der Ahnen nicht mehr beherrschen, ist ein Fakt, daran haben die letzten 30 Jahre seit der Wende wenig geändert, trotz größeren Deutschangebots an Flaggschiffschulen und bei geringerem Angebot an den übrigen Schulen. Deutsch (oder die jeweilige Mundart) ist seit Jahrzehnten (hier gibt es durchaus Unterschiede, sogar von Ort zu Ort) keine Familiensprache mehr, selbst passive Sprachkenntnisse – wie in den 60er und 70er Jahren noch verbreitet – werden nicht mehr erworben. Punktuell gibt es immer noch Familien, die Wert auf die Weitergabe (bzw. Wiederbelebung) der Sprache legen – oft belächelt oder bestaunt von der Mehrheit, die nicht in der Lage ist, den Stellenwert der Sprache für die eigene Identität zu erkennen. Als Argument hört man ganz abenteuerliche Dinge, jedenfalls betonen diese ungarischsprachigen Ungarndeutschen, dass man sich redlich bemühen würde, die Traditionen zu pflegen.

Dass diese Traditionspflege, so die Erfahrungen, die man oft macht, wenn man Veranstaltungen beiwohnt, in den meisten Fällen auf Ungarisch betrieben wird (Konferieren, Anweisungen und Pausengespräche durchweg auf Ungarisch, Infomaterial und Ankündigungen ebenso einsprachig ungarisch), überrascht keinen mehr. Aber dass man nun anfangen würde, bewusst deutsche Texte ins Ungarische zu übertragen, um diese zu ersetzen, wäre ein Novum (es gibt bereits jetzt zuhauf Präzedenzfälle dafür, dass man zusätzlich Strophen auf Ungarisch dazudichtet). So würde ein Restdeutsch aus dem bühnenartigen Kulturleben der Ungarndeutschen verschwinden, was dieses noch von der madjarischen unterscheidet.

Selbstaufgabe war noch nie etwas, was einen vorangebracht hat. So gilt es in diesen schwierigen Zeiten, unsere authentischen Werte trotz Zeitgeist und dem Gebot der Bequemlichkeit zu verteidigen.

 

Bild: essaydragon.com

 

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