von Dr. Koloman Brenner, Parlamentsabgeordneter
Ein Satz und viel Verleumdung
Obwohl meine Entscheidung, als Kandidat der rechtskonservativen Jobbik-Partei anzutreten und in der Fraktion derselben als gewählter Abgeordneter zu wirken zweifelsohne hinterfragt und diskutiert werden kann (gern auch mit mir persönlich), finde ich die Auslassungen von Herrn Till, die im Wesentlichen auf einen einzigen, aus dem Kontext gerissenen Satz in einem Interview von mir beruhen, mehr als bedenklich. Als Wissenschaftler und Politiker möchte ich gern in einer anderen Weise meine Sichtweise darstellen: Erstens sollte also die Quelle gedeutet werden. In einem sehr langen, in ungarischer Sprache mit dem Webportal „azonnali.hu“ geführten Interview hatte ich den zitierten Satz gesagt, der dann ins Deutsche (und nicht von mir) übersetzt wurde – dieses Interview über meine Motivationen und Pläne in der Politik ist dann auf www.unser-mitteleuropa.com (und nicht wie bei Till falsch zitiert „Mein Mitteleuropa“) erschienen. Hier also der Satz, worauf kräftige und bewertende Aussagen über meine politische und private Person basieren:
„Der Sprachgebrauch der Ungarndeutschen (…) hat sich im historisch-sozialen Umfeld in Ungarn fortlaufend beständig herausgebildet“. Im Original: „A magyarországi németek nyelvhasználata komoly tudományos téma, hosszú történelmi-szociális helyzet révén alakult ki.“
Wer in diesem Satz ein „Politikersprech“ erkennt und mich dann noch verleumdet, dass ich sicher „gezwungen bin“ wegen meiner Partei die historischen Tatsachen zu verdrehen oder anders zu deuten wie in meinen bisherigen zurzeit 76 wissenschaftlichen Abhandlungen und in 22 Jahren als Politiker der Deutschen in Ungarn, dem ist nicht mehr zu helfen. Besonders möchte ich auf mein neuestes Buch Deutsche Minderheiten und Institutionen hinweisen, worin sehr detailliert meine wissenschaftlich fundierte Bewertung der minderheitenpolitischen und sprachlichen Lage der Ungarndeutschen nachzulesen ist. Aber es kommt noch dicker, wenn ich den ganzen Absatz zitiere, dann wird es nämlich noch eindeutiger, worum es wohl Herrn Till geht:
„Ich gehöre zu denen, die mit sechs Jahren ungarisch gelernt haben. Vorwiegend spreche ich deutsch, auch mit meinen ungarndeutschen Kollegen bei Jobbik. Die Sprachverwendung der Ungarndeutschen ist ein bedeutungsvolles wissenschaftliches Thema, die sich im historisch-sozialen Umfeld fortlaufend-beständig
herausgebildet hat. Bis 1949 war das Ungarndeutschtum de jure, anschließend auch de facto entrechtet. Die Weitertradierung der klassischen Sprachvermittlung wurde unterbrochen– die deutsche Sprache und Kultur versuchen wir nun zu revitalisieren.“
Nach diesem Zitat wird es wohl klar, wie haltlos und vermessen die Bewertungen und Deutungen meiner politischen Tätigkeit dargestellt wurden, und zwar nachweislich böswillig und absichtlich falsch zitiert. Und ja, Herr Till, in der Küche der Jobbik-Fraktion wird Deutsch gesprochen, mehr als in manchen ungarndeutschen Institutionen… Und jeder darf raten, ob meine Wenigkeit oder der gewählte deutsche Abgeordnete im ungarischen Parlament vor paar Wochen seine Rede ausschließlich in deutscher Sprache vorgetragen hat. Soviel vielleicht darüber, was die Volkspartei Jobbik zulässt oder nicht. Dass Sie noch dazu mit Uraltgespenstern wie mit der „Ungarischen Garde“ daherkommen und den seit 2013 vollzogenen Wandel der Jobbik zu einer konservativen Volkspartei (siehe dazu z.B. den Artikel in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ mit dem Titel „Jobbik – die neue Volkspartei?“) bezweifeln, zeigt lediglich, wie weit Sie von der Öffentlichkeit in Ungarn leben. Hierzulande könnte Ihnen nämlich jeder Mensch bestätigen, dass die Orbán-Partei Fidesz und Jobbik auf der politischen Palette die Plätze getauscht haben und das nicht vorgestern. Und was meine Wenigkeit betrifft, darf ich den Lesern des Sonntagsblattes versichern: Ich bleibe ein treuer Diener der Ungarndeutschen, der aber eine neue und vielleicht wirksamere politische Tätigkeit sowohl in Ungarn als auch als Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarats
auf der europäische Ebene für die Sache der nationalen Minderheiten und autochthonen Volksgruppen ausüben kann.
Bild: alfahir.hu