„Auch im Beruf ist die deutsche Sprache wichtig”: SB-Interview mit Hedvig Szakács

Im Gespräch mit Hedvig Szakács, Vizepräsidentin der DUIHK und Geschäftsführerin der ZIMBO Perwall GmbH

Dieses Jahr feiert nicht nur unser Verein und das Sonntagsblatt 25-jähriges Jubiläum, sondern auch die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK) sowie die Firma ZIMBO Perbál Gesellschaft für Fleischverarbeitung mbH (ZIMBO Perbál Húsipari Termelő Kft.). Anlässlich dieses Doppeljubiläums haben wir mit der Geschäftsführerin (CEO) der ungarischen Tochter des zur börsennotierten Schweizer Bell AG gehörenden Unternehmens, Hedvig Szakács (geb. Peller) aus Werischwar, gesprochen. Die Managerin, auch für ZIMBO Rumänien GmbH der Bell AG (größter Anteilseigner: COOP-Genossenschaft Schweiz) zuständig, ist seit einem Jahr Vizepräsidentin der DUIHK und leitet dort den Arbeitskreis für Lieferantenentwicklung.

 

SB: Frau Szakács, Sie wurden vor über einem Jahr zur Vizepräsidentin der DUIHK gewählt – was sollen wir uns unter diesem Amt vorstellen?

HSZ: Die DUIHK wählt einen Präsidenten und drei Vizepräsidenten, wobei die Vizepräsidenten jeweils einen Arbeitskreis leiten. Ich stehe dem Arbeitskreis für Lieferantenentwicklung vor. Ziel ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten für lokale kleine und mittelgroße Unternehmen, um sie mittelfristig so weit zu qualifizieren, dass sie sich als Lieferanten unserer Mitgliedsfirmen bewerben bzw. in deren Qualifizierungsprogramme aufgenommen werden können. Zum Beispiel haben die deutschen Firmen verschiedene Qualitätsvorschriften und -standards, die sie auch gerne hier in Ungarn umsetzen wollen. Aktuelle Themen wie Digitalisierung und Generationswechsel haben auch für die Lieferketten Konsequenzen, wir versuchen dabei gute Beispiele und Lösungswege aufzuzeigen. Es lohnt sich darauf zu achten, wie diese Firmen mit der Digitalisierung umgehen, denn die großen Firmen haben auch hierbei strenge Vorgaben und Richtlinien. Konkret formuliert: Wie kommunizieren beziehungsweise arbeiten die Kunden und Lieferanten miteinander, welche Software oder Hardware kommen zum Einsatz usw.? Der Arbeitskreis besteht aus 10-15 verschiedenen Firmen, die allesamt in unterschiedlichen Bereichen tätig sind, wir treffen uns zwei- bis dreimal im Jahr, organisieren Veranstaltungen, Workshops und Firmenbesuche.

SB: Die DUIHK hat über 900 Mitglieder – wie würden Sie die Rolle und Bedeutung der Kammer für die ungarische Wirtschaft beschreiben?

HSZ: Die Mitgliedschaft in unserer Kammer ist freiwillig, insgesamt gibt es noch deutlich mehr deutsche Unternehmen in Ungarn. Viele Leser denken bei „deutschen Firmen“ vermutlich an die großen, international bekannten Konzerne. Diese sind auch Mitglied in unserer Kammer, doch die große Mehrzahl sind mittlere und kleinere Firmen, und auch viele ungarische Unternehmen haben eine Mitgliedschaft. Sie nutzen vor allem das große Netzwerk und die Dienstleistungen der DUIHK für ihr Geschäft. Aufgrund unserer Größe haben wir natürlich auch eine besondere Verantwortung für Ungarn. Deshalb arbeiten wir sehr eng mit der ungarischen Regierung und anderen Partnern zusammen, z. B. um gemeinsam das Berufsbildungssystem zu verbessern oder um noch bessere Bedingungen für künftige Investitionen zu schaffen.

SB: Welche Rolle spielen deutsche Firmen in der ungarischen Wirtschaft? Gab es Veränderungen in den letzten Jahren?

HSZ: Für Ungarn ist Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner, mehr als ein Viertel des Außenhandels und auch der ausländischen Investitionen entfallen auf Deutschland. Auffallend ist dabei, dass deutsche Firmen überdurchschnittlich stark ihre Gewinne wieder in Ungarn investieren, d. h. sie betrachten Ungarn als einen langfristigen, strategischen Standort. Das belegen auch die Umfragen der DUIHK, und natürlich auch die jüngsten Großinvestitionen deutscher Firmen im Land. Umgekehrt ist aber auch Ungarn in vielen Bereichen wichtiger Markt, Beschaffungsquelle und Produktionsstandort für deutsche Unternehmen. In vielen Bereichen der Produktion sind die ungarischen Tochterniederlassungen unverzichtbarer Teil der weltweiten Lieferketten deutscher Konzerne.

SB: Sie sind Geschäftsführerin einer auch in Deutschland wohlbekannten Fleischverarbeitungsfirma bzw. deren ungarischen Tochter namens ZIMBO (Zimmermann Bochum), die seit 2008 zur Schweizer Bell AG gehört. Was sind die größten Herausforderungen für die ungarische ZIMBO GmbH gegenwärtig?

HSZ: Die größte Herausforderung ist, für unsere qualitativ hochwertigen Produkte von den Kunden die Preise zu erhalten, die wir für realistisch halten. Ein zweites großes Feld ist der Mangel an Arbeitskräften. Wir haben von der DUIHK den Preis „Verlässlicher Arbeitgeber” erhalten, was uns stolz macht. Wir legen großen Wert darauf, mit den Mitarbeitern fair und sozial umzugehen, deshalb trifft uns der allgemeine Arbeitskräftemangel nicht in dem Maße wie die anderen Firmen in Ungarn. Wir haben viele Sonderleistungen, die bei diesem Preis anerkannt wurden. Auch wenn wir den Arbeitskräftemangel im Griff haben, führt er bei den Lieferanten dennoch zu Schwierigkeiten, die auch uns letztendlich betreffen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir uns bei der Auswahl der Lieferanten gut überlegen, mit wem wir zusammenarbeiten.

SB: Sind auch andere Firmen mit deutschem und österreichischem Eignerhintergrund mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wie Ihre Firma?

HSZ: Ich meine, ja. Die DUIHK führt jährliche eine Konjunkturumfrage durch, an der sich neben unseren Mitgliedern auch andere ausländische Firmen beteiligen. Deren Erfahrungen und Meinungen unterscheiden sich kaum von denen der deutschen Unternehmen. Demnach bereitet der Fachkräftemangel allen Firmen in Ungarn Schwierigkeiten, und dies ist auch der Grund, warum sich die DUIHK verstärkt der Verbesserung der Ausbildung und der Unterstützung der Unternehmen in Personalfragen widmet.

SB: In einem Gespräch mit der Werischwarer Zeitung sprechen Sie von Ihrer Verbundenheit mit der deutschen Sprache – welche Rolle spielt Deutsch in Ihrem Berufsalltag?

HSZ: Ich spreche jeden Tag deutsch, ich gehöre bei der Bell Food Group zum oberen Mangagement, d. h. ich habe jeden Tag Kontakt zu meinen deutschen und Schweizer Kollegen, per Telefon oder per E-Mail. Die Firmensprache von Bell mit Sitz in Basel ist Deutsch. Für mich ist es ganz natürlich, sich der deutschen Sprache zu bedienen. Ich liebe die deutsche Sprache, die ich seit der ersten Grundschulklasse spreche bzw. lerne.

SB: Und im Privaten?

HSZ: Meine Großeltern haben noch schwäbisch miteinander, wir in der Familie hingegen bereits ungarisch gesprochen.

SB: Wie würden Sie sich definieren – Ungarin, Deutsche, Ungarndeutsche, Schwäbin – und wie ist die Fremdwahrnehmung, zum Beispiel in der DUIHK?

HSZ: In der DUIHK ist die Herkunft nicht von Bedeutung, sondern lediglich die fachliche Leistung. Daher ist es dort weder ein Vor- oder Nachteil, deutscher Abstammung zu sein. Natürlich spielen meine guten Deutschkenntnisse eine Rolle, was ich, wie ich denke, auch meinem schwäbischen Hintergrund zu verdanken habe. Wenn ich in Deutschland bin, bin ich stolz darauf, eine Ungarin zu sein. Und wenn ich in Ungarn bin, dann bin ich sehr stolz darauf, dass ich deutsche Abstammung habe. Ich bin eine ungarndeutsche Ungarin. Auch unter den deutschen Vertretern der DUIHK-Mitglieder spüre ich insgesamt eine sehr große Sympathie für Ungarn und seine Menschen.

SB: Wie sehen Sie die Situation der Ungarndeutschen in Ihrem Heimatort Werischwar – im Hinblick auf Sprache, Kultur und Identität – und in Ungarn insgesamt?

HSZ: Ich meine, es ist sehr schwer den schwäbischen Dialekt zu pflegen und weiterzugeben. Die Generation, die die Mundart täglich benutzt hat, stirbt langsam aus. In Werischwar – wie auch anderswo – dominiert mittlerweile das Ungarische. Es ist sehr gut, dass die Kinder bereits in der Grundschule Deutsch lernen, vom Schiller-Gymnasium ganz zu schweigen. Genauso bedeutend finde ich, dass die Traditionen am Leben erhalten werden. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist es wichtig, die deutsche Sprache – neben dem Englischen – zu beherrschen.

SB: Wie lautet Ihre Zukunftsprognose?

HSZ: Es wird für die Zukunft eine sehr große Herausforderung sein, die Kultur, Traditionen und Identität zu erhalten. Es ist stets eine Aufgabe der Eltern, den Kindern bewusst zu machen, dass sie zu dieser Minderheit gehören. Die Rolle der Schule ist wichtig, aber ohne entsprechenden familiären Hintergrund verfestigt sich nicht, was sie in der Schule erfahren haben. Die Kulturgruppen können bei der Bewahrung dieses Erbes auch helfen. Ich habe zum Beispiel 13 Jahre lang in der Werischwarer Ungarndeutschen Volkstanzgruppe getanzt.

SB: Viele Menschen, darunter auch zahlreiche Ungarndeutsche, suchen ihr Glück im Ausland. Was würden Sie sagen – bleiben oder gehen?

HSZ: Bleiben! Wenn jemand in Ungarn Deutsch sprechen kann, kann man auch hier eine gute Arbeit finden. Darüber hinaus ist man dann nicht gezwungen, von der Familie getrennt zu leben.

SB: Frau Szakács, vielen Dank für das Interview!

 

Das Gespräch führte Richard Guth.

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!