Ein Kommentar von Freiherrn Egmont
Die neuesten Ereignisse in Rumänien stießen nicht nur einen Stein, sondern einen ganzen Berg ins Wasser: Die Lage der rumänischen Demokratie in der internationalen Öffentlichkeit wird fast so heiß diskutiert wie der Sargentini-Bericht, mit der Besonderheit, dass auch die weit und breit gut bekannte Deutschfeindlichkeit seitens der rumänischen Sozialisten hervorgebracht wurde. Nun trat ein edler Schutzherr von der Bundesregierung hervor, um vor die Sachsen und Schwaben ein Schutzschild des Mutterlandes zu stellen. Der Moment, wenn der internationalistische Spitzenpolitiker dazu gezwungen wird, die „geduldeten Auslandsdeutschen” in Schutz zu nehmen.
Dem Falle ’Iohannis’ widmete sich die Redaktion des Sonntagsblattes mehrmals in den vergangenen Wochen. Die Versuchung machte sich an uns, Ungarndeutsche, dass wir nach der deutschfeindlichen Hexenjagd gegen den Hermannstädter Seligman (nach dem Charakter Woody Allens, der, wie ein transylvanischer Chamäleon, immer seine Identität in der Hoffnung der Anerkanntheit der anderen wechselt) eine gewisse Schadenfreude verspüren können: Der verehrte und populäre Hermannstädter Lokalpolitiker, ein Minderheitenangehöriger vom Sachsenvolke, hatte mit seiner Herkunft die historische Chance, die Rolle des Brückenbauers zwischen den Rumänen und anderen Nationalitäten einzunehmen, aber letztendlich wurde er für uns, Madjaren und Deutsche aus dem Karpatenraum, eine riesengroße Enttäuschung.
Die antideutschen Angriffe nehmen nicht nur ihn, sondern auch die ganze sächsische und schwäbische Gemeinschaft ins Visier. Noch ferner: Vor einigen Wochen vermeldete die kroatische Presse ähnliche Tendenzen. Der deutschstämmige Goran Beus Richemberg, Historiker, Mitglied des Sabors, erhielt von kroatischen Facebook-Kommentatoren das virtuelle tschechische ’N-Armband’, nur wegen seiner deutschen Abstammung. Das unterschwellig Deutschfeindliche ist auch hier in Ungarn nicht unbekannt, vor allem, wenn man meint, davon politisches Kapital schlagen zu können. So wurde von der Jobbik-Kandidatur von Koloman Brenner vom regierungsnahen Portal 888.hu mit einem Hinweis auf die Germanisierung seines Vornamen während seiner Gymnasialzeit und die vermeintlich ungeklärte Identität von Brenner berichtet. Aber auch die fabrizierte Figur des „dummen Schwaben” taucht in solchen Medien mal offen, mal im Verborgenen auf, getragen von Kulturkämpfern, die in der Dezső-Szabó-Schule sozialisiert wurden. Regierungs(parteien)nähe bedeutet aber gleichzeitig ein breites Spektrum an konkreten politischen Vorstellungen und Geisteshaltungen – deswegen war die Feststellung Róbert Puzsérs ein Volltreffer, wonach das System der Nationalen Zusammenarbeit von Slomó Köves bis Zsolt Bayer reiche. Aber dass unterschwellige Deutschfeindlichkeit keine Parteigrenzen kennt, zeigt das Beispiel des ehemaligen sozialistischen Politikers und regierungskritischen Journalisten Sándor Csintalan, der auch mal von „verrückten” (lökött) Schwaben spricht. Wir dürfen also, im Sinne des Obengenannten mit der Vermutung leben, dass die deutschfeindliche Rhetorik wieder salonfähig ist, welches Phänomen wir, volksdeutsche Jugendliche zuvor nie so eindeutig erlebten.
Wo bleibt denn der angeblich offizielle Hüter der Auslandsdeutschen? Die Hitler-Schnurrbart Johannis’ und die „Der Deutsche ist schuld”-Plakaten resonierten in den Kreisen der Bundesregierung ebenfalls. Zum Glück ist der siebenbürger- sächsische Bernd Fabritius in der Position des Beauftragten für Minderheiten und Aussiedlerfragen, die er nach der Abdankung Hartmut Koschyks beerbte. Naturgemäß, auch wegen persönlicher Betroffenheit, schaltete sich der gebürtige Agnethelner nach der deutschfeindlichen Verleumdungskampagne mit voller Kraft ein und formulierte fast sofort eine Erklärung, wobei er den Rumäniendeutschen seine volle Unterstützung und Schutz zusicherte.
Für Dr. Dr. Bernd Fabritius ist eine solche Stellungnahme selbsterklärend: Als Deutscher und jetzt als bundesdeutscher Amtsträger mit geeigneten Befugnissen nimmt er seine Aufgabe ernst (wie Koschyk vor ihm). Weil er als Auslandsdeutscher in Rumänien, also im Ausland, aufwuchs, hat er offensichtlich ein anderes Deutsch- und Selbstbild als andere Berliner Spitzenpolitiker. Aber neulich zog die bundesdeutsche oberste Führung die Konsequenz, wahrscheinlich dank der Lobbyarbeit Fabritius’: Der neue deutsche Außenminister, Heiko Maas, machte auch einen Besuch beim Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, und äußerte, dass Angriffe gegen die deutsche Minderheit inakzeptabel seien. „Rumänien braucht Deutschland und die deutsche Minderheit als Partner.”
Leicht können wir uns vorstellen, was für ein großer Druck auf Maas lastete, als er diese Zeilen zu Papier brachte: Heiko Maas stammt aus einem anderen Millieu, er ist der Archetyp des technokratischen bundesdeutschen Politikers, der zu keine Verbindung zum Thema „Auslandsdeutschtum” hatte. Die von ihm vertretene politische Elite bibbert sofort, wenn sie das Wort „Auslandsdeutschtum” hört: Dazu kommt sein politisches Lager, die SPD, wo solche Gedanken überhaupt nicht so modisch zu sein scheinen. Er ist ein spätes Kind von ’68, genau wie der flämische Guy Verhofstadt: Sie schimpfen über „den Nationalismus” (sie meinen damit Patriotismus, Vaterlandsliebe) im Sängerchor vor der Weltpresse. Bei Maas ist die Situation noch komplexer, da er zwei paralelle Botschaften an zwei verschiedene Zielgruppen richten muss: Einerseits muss der Außenminister mit den „Europe United” und den antinationalistisch gesinnten Interessengruppen (besonders nach Chemnitz) konvenieren, und gleichzeitig redet er über deutsche Volksgruppen, Auslandsdeutsche in Rumänien. Mit Heiko Maas steht die ganze bundesdeutsche politische Führung vor der Entscheidung: Wollen sie als „Mutter Germania” (nach Stephan L. Roth) im Interesse der deutschen Minderheiten auch in dieser heiklen Situation auftreten und endlich eine solche beispielhafte Politik zugunsten der Auslandsdeutschen betreiben (auch wenn es diplomatisch riskant sein kann) wie die österreichische Regierung, oder bleiben diese Äußerungen nur leere Worte?!
Bild: gettyimages.com