Alles bestens-aber wo bleibt die (Mutter-) Sprache

von Richard Guth

Etwas Merkwürdiges passierte mir vor kurzem bei der Recherche für einen neuen Artikel. Per Zufall gelangte ein Artikel zu mir, wo man anlässlich eines Festes der harmonischen Koexistenz von Madjaren und der betrofffenen Nationalität gedachte. In dem Artikel ist viel von Dankbarkeit, unter anderem für die finanzielle Unterstützung seitens des ungarischen Staates, von „nie im Stich gelassen”, von abgelegtem Glaubenszeugnis, von gegenseitiger Unterstützung der Freiheitsbestrebungen und vom Stolz des ungarischen Staates auf seine treuen Untertanen die Rede, so dass „die gemeinsam erlebten Stürme der Geschichte die (…) (Angehörigen dieser Nationalität, R. G.) in dem Glauben bestärkt haben, dass ihre Kultur und Nationalität durch den Gebrauch ihrer Sprache und Religion erhalten, gar aufblühen können”, so ein Vertreter der besagten Nationalität. Auch der Vertreter der ungarischen Seite in Gestalt eines Bürgermeisters lobte die mustergültige Koexistenz – und hatte hinsichtlich der Bedeutung der Sprache nicht ganz Unrecht -:  „Nach seinen Worten sind Sprache und Kultur die wichtigsten Mittel des Erlebens der Identität, deren Höhepunkte die Feste darstellen. Die (…) (Mitglieder der Nationalität, R. G.) würden auch anlässlich dieses Festes eindrucksvoll demonstrieren, dass sie stolz auf ihre Nationalität und ihren Zusammenhalt seien.”

Soweit nichts Ungewöhnliches, an den Stil solcher Berichte über die mustergültige Minderheitenpolitik haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt. Aber dann kamen mir die Worte des hochrangigen Vertreters einer anderen Minderheit in den Sinn, wonach Ungarn mustergültig seine Minderheiten assimiliert hätte. Dieser Widerspruch veranlasste mich, mich über diese Nationalität etwas eingehender zu informieren und in Erfahrung zu bringen, was hinter den wohlklingenden Worten steht.

Erste Anlaufstelle waren die Volkszählungsergebnisse von 2011, wonach – ähnlich wie bei uns ungarländischen Deutschen – die Bekenner dieser Nationalität seit der letzten Volkszählung zahlreicher geworden sind, und zwar deutlich. Bei den Muttersprachlern zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab, ähnlich wie bei den übrigen Nationalitäten, lex Apponyi lässt grüßen. Der Rückgang ist nicht dramatisch, aber es zeigt in Richtung sprachlicher Assimilation. Ein Befund, den es ernst zu nehmen gilt, auch wenn den jetztigen Vertretern der Nationalität keineswegs die Verantwortung für diese historische Entwicklung zugesprochen werden darf.

Nach weiteren Recherchen über Herkunftsgeschichte und Lage dieser Nationalität wandte ich mich an die Landesselbstverwaltung dieser Nationalität, um eine Einschätzung der Lage zu bitten. Ein hochrangiger Vertreter meldete sich bei mir und signalisierte Bereitschaft. Ich wollte von dieser Person diverse Dinge erfahren, aber in der Tat, ich stellte die sprachliche Lage bei all den Nationalitätenschulen, die immer noch in fünf Wochenstunden die „Muttersprache” unterrichten, in den Mittelpunkt meines Interesses. Ich spürte bei den Antworten etwas Zaghaftes, auch wenn der Interviewpartner schnell, ausführlich und sicherlich gewissenhaft antwortete. Etwas Zaghaftes, denn die Antworten verharrten sich im Stile des bereits zitierten Artikels, enthielten viele Allgemeinplätze und eine Aufzählung vieler Projekte, die ohne Zweifel lobenswert und von besonderem Wert für die Gemeinschaft sind. Als ich die Sprachsituation angesprochen habe, erhielt ich lediglich den Hinweis auf die Weltsprachen und die veränderten Lebenswelten (was sicherlich zutreffend ist), die die Sprache der Minderheit wieder in den Hintergrund gedrängt hätte. Die Rede war im Weiteren stets von Sprachkenntnissen, was durch das Vorherrschen der sprachunterrichtenden Form an den Schulen schlechte oder rechte Fremdsprachenkenntnisse bedeuten kann, muttersprachliche oder ähnliche keinesfall. Übrigens ein Problem, das so gut wie alle Nationalitäten in Ungarn betrifft.

Diese Antworten spornten mich weiter an, und ich verschickte drei weitere Fragen, die unter anderem die sprachliche Situtation im Religionswesen betrafen. Darauf habe ich nur noch eine Mail mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit erhalten. Im späteren klärenden Telefongespräch wurde mir vorgeworfen, ich wäre tendenziell gewesen und hätte die Person „führen” wollen. Näheres habe ich nicht erfahren können, denn die Verbindung wurde getrennt. Merkwürdig, denn vorher klang alles so schön.

So verzichtete ich auf weitere Recherchearbeiten, in dem Glauben, dass alles in Ordnung sei. Oder jedenfalls fast alles, denn wen kümmert einen schon das bisschen (Mutter-) Sprache?!

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!