Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Vor 98 Jahren wurde im Schloss Grand Trianon der Friedensvertrag von Trianon unterschrieben, unter dessen Folgen wir auch heute noch leiden. Sowohl als Ungarn als auch als Volksdeutsche. Zwei Drittel des ungarischen Territoriums wurde weggenommen, und so wurde das bis dahin gemeinsam entwickelnde Land zerstückelt. Das Zusammenleben der Völker des Karpatenbeckens wurde durch die Ungerechtigkeit des Diktats vergiftet, und vielleicht ist das die größte Sünde der Großmächte, die dieses Diktat Ungarn auferlegt haben. Über dieses Thema kann man viel aus der Perspektive des ungarischen Staates lesen, deswegen beschäftigt sich dieser Artikel weniger mit dieser Narrative. Es wird vielmehr eine solche Meinung dargestellt, dessen Ziel ist es zu beweisen: Wir, Ungarndeutsche haben durch das Diktat unglaublich viel verloren und die Ereignisse nach Trianon haben die Zukunft des Deutschtums im Karpatenbecken besiegelt. Vielsprechend ist, wie sich die Anzahl der Deutschen im Karpatenbecken in den letzten 100 Jahren verringert hat: 1910 gab es etwas mehr als 2 Millionen Deutsche in den Ländern der ungarischen Stephanskrone, heute leben auf diesem Territorium etwa 480 000 Deutsche, Deutschsprachige oder Deutschstämmige. Mehr als die Hälfte davon in dem österreichischen Bundesland Burgenland.
Die Historiker betonen immer: In der Geschichte gibt es kein „Wenn”. Ich bin aber kein Historiker und deswegen lass’ ich mir die Freiheit zu sagen: Wenn es das Friedensdiktat von Trianon nicht gegeben hätte, wäre die Situation der Deutschen im Karpatenbecken besser. Wir wissen, dass vor dem Ersten Weltkrieg die Assimilation unter den Ungarndeutschen schnell voranschritt, aber man muss die minderheitenpolitischen Ereignisse der Ersten Ungarischen Republik ins Kalkül nehmen: Als die politische Elite die Gefahr des Zerfalles des 1000-jährigen Königreichs sah, zeigte man sich immer großzügiger gegenüber den Minderheiten. Dies war leider schon in der 24. Stunde, und die späte Reaktion auf die Forderungen der Minderheiten konnte den Zusammenbruch des Königreichs nicht mehr verhindern. So war die Schaffung der Schweiz des Ostens, wie Mihály Graf Károlyi es angekündigt hat, nicht mehr möglich.
Das Deutschtum machte die zweitgrößte Minderheit nach den Rumänen in den Ländern der Stephanskrone aus. Nach Trianon blieb nur ein Drittel der deutschen Bevölkerung in Ungarn, die anderen fanden sich in einem neuen Land wieder, ohne gefragt zu werden, ob sie dies wollen oder nicht. Also haben die deutschstämmigen Staatsbürger neben dem 2/3 des Territoriums auch 2/3 ihrer Bevölkerung verloren. Die Deutschen in den Nachbarländern haben an politischer Macht oder vielmehr Einfluss verloren, denn sie waren nicht mehr so stark präsent als früher im historischen Ungarn. Auf der ungarischen Seite der Grenze wurden die Deutschen die größte Minderheit, aber dies war für uns nicht so vorteilig in einem Land, wo die Leute sich von den Minderheiten betrogen fühlten. Obwohl sich der ungarische Staat wegen den madjarischen Minderheiten in den Nachfolgestaaten minderheitenfreundlich gegeben hat, war in der Wahrheit das Gegenteil wahr: weitere Namensmadjarisierungen, Verhinderung der muttersprachlichen Schulbildung und später eine starke antideutsche Propaganda, was am Ende zur Vertreibung der Deutschen aus Ungarn führte. Früher oder später ereilte die anderen deutschen Volksgruppen im Karpatenbecken das gleiche oder ein ähnliches Schicksal …
Die Deutschen in Ungarn haben ihren politischen Nachwuchs auch verloren. Es ist wichtig zu betonen, dass die größten ungarndeutschen Persönlichkeiten nicht aus Restungarn stammten, sondern aus den abgetretenen Gebieten, wie zum Beispiel Jakob Bleyer, der aus der südlichen Batschka stammte. In Ungarn blieb ein Deutschtum, das schon vor Trianon in seiner Identität beschädigt war und sich auf dem Weg zur Assimilation befand. Die Vertreibung hat die schon laufenden Prozesse nur beschleunigt.
Eine weitere Folge ist die Abgrenzung der Deutschen aus Ungarn von den anderen Deutschen im Karpatenbecken. Man sagt nur vorsichtig, dass die Deutschen in Rumänien einmal auch Ungarndeutsche waren. Die in Ungarn lebenden Donauschwaben identifizieren sich nicht als Donauschwaben, denn wir sind „Ungarndeutsche“, und die Donauschwaben lebten in der Batschka oder im Banat. Wenn man die gemeinsame Herkunft und Schicksal betonen würde, wäre es eine Art von Irredentismus: zumindest in den Augen derjenigen, die sich im Kommunismus sozialisiert haben.
Wir können deutliche Tendenzen des Verschwindens des Deutschtums aus solchen historischen Regionen wie Siebenbürgen oder das Zips beobachten. Aber es ist wichtig, dass wir nicht nur als ungarische Staatsbürger ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Szeklern oder mit den Slowakeimadjaren pflegen, sondern als Deutsche mit den noch verbliebenen Deutschen in Siebenbürgen oder in der Slowakei. Trianon hat für uns eine wichtige Botschaft, was auch in unserer Hymne steht: „Wir sind eines Volkes Söhne…“ von der Leitha bis in die Ostkarpaten, von Eisenstadt bis Kronstadt.