Leserbrief für das Sonntagsblatt
Auch mich, einen nicht Ungarndeutschen, hat der nach 40 Jahren kommunistischer Diktatur und mit der damit verbundenen Vertreibung und Unterdrückung der ungarndeutschen Volksgruppe die verlorengegangenen Fähigkeiten der heimatverbliebenen Ungarndeutschen, ihre „schwäbische“ Mundart und überhaupt auch die deutsche Sprache zu sprechen, traurig berührt. Diese Situation hat sich auch nach der politischen Wende nicht wesentlich verändert. Die Gedenkreden zu Jahrestagen der Vertreibung und auch andere Reden, incl. der Begrüßungsreden bei geselligen Veranstaltungen werden überwiegend ungarisch gehalten. Nur noch die Chöre sind in der Lage, ein längeres Programm in der deutschen Sprache oder in „schwäbischer“ Mundart zu gestalten. Diese Beobachtungen habe ich in Kalasch/Budakalász am nördlichen Stadtrand von Budapest gesammelt.
Auch auf dem Kalascher/Budakalászer katholischen Friedhof konnte ich beobachten, dass Grabsteine mit deutscher Inschrift Jahr für Jahr weniger wurden. Sie wurden oft nicht mehr gepflegt, kippten mit der Zeit um und wurden anschließend abgeräumt. Nicht selten wurde die alte Schrift geschliffen und der alte Grabstein einer neuen Benutzung zugeführt. Vor rund zehn Jahren habe ich von den noch übriggebliebenen rund 80 Grabsteinen mit teilweise rührenden deutschen Inschriften eine Fotodokumentation angelegt, die ich dann dem Verein der deutschen Minderheit in Kalasch/Budakalász zur Aufbewahrung übergab. Darin äußerte ich meinen Traum, dass einmal die Zeit wiederkommen soll, in der die Toten deutscher Nationalität an ihren Grabsteinen nicht mehr mit ihren ungarischen Vornamen wie Erzsébet, János, Ferenc oder Imre sondern mit ihren deutschen Vornamen Elisabeth, Johann, Franz oder Emmerich verewigt werden. Keiner wird heute in Ungarn dazu verpflichtet und keiner hat unangenehme Folgen zu erwarten, wenn er seinen Vornamen nicht in ungarischer Weise, wie es z. B. im Personalausweis steht, an seinem Grabstein benutzt. Zur Nutzung der deutschen Vornamen an eigenen Grabsteinen gehört vielleicht heute noch etwas Mut, der jedoch immer ein deutliches Bekenntnis zur nationalen Herkunft bedeutet.