Der Politologe Dr. Josef Bayer, Mitglied des MTA (Ungarische Akademie der Wissenschaften) hat auf die kritische Meinung von Dr. Jenő Kaltenbach so reagiert:
Jenő hat Recht, aber die parlamentarische Vertretung der Minderheiten war von vornherein eine unlösbare Idee. Der voreilige Vorschlag am Anfang des Systemwandels für Minderheiten-Mandaten im Parlament war unbedacht und in demokratischem Sinne nicht realisierbar. In einem System „one man, one vote“ wäre es ein Verstoss gegen die Gleichheit des Wahlrechts, extra zwölf Mandaten für Minderheiten im Parament einzurichten.
Was nötig und auch möglich gewesen wäre, ist eine korporatistische Vertretung und Mitspracherecht bzw. Konsultationsvotum in allen Fragen, die die nationalen (bzw. ethnischen) Minderheiten betreffen im Prozess der Gesetzgebung, und das auf der Ebene der Parlamentskomitees, in denen die Gesetze vorbereitet werden, bevor sie auf die Tagesordnung des Plenums kommen.
Dies wurde leider nicht richtig verstanden damals, weder von Seiten der Minderheitenvertretungen, noch von den massgebenden demokratischen Parteien. Nun, die auf neue Landnahme bestrebende Fidesz hat das ursprünglich falsche Versprechen so eingelöst, dass es seinem Vorhaben einer totalen Machtübernahme entspreche. Freilich ist das keine Lösung, es ist totaler Unsinn und Heuchlerei. Wenn das politische System nicht wieder in demokratisches Gleichgewicht zurückkehrt, besteht niemals die Chance, andere Vertreter als der Staatspartei Fidesz nahestehende zu wählen. Und das verstehen auch die meisten Wähler natürlich, und sind nicht bereit, in diesem falschen Spiel teilzunehmen. Bedenken wir: wer jetzt auf die Minderheitenliste votiert, dankt von seinem staatsbürgerlichen Recht ab, die politische Zusammensetzung der Gesetzgebung mitzubestimmen. Ist das richtig so? Das grenzt eigentlich die Mitglieder der Minderhetiengemeinschaft aus dem politischen Körper des Landes aus. Das ist wirklich blöd. Letztendlich läuft das alles darauf hinaus, wovon alle Nationalisten nur träumen können: Deutsche, Zigeuner, Slowaken usw. sollen nicht dreinreden dürfen, was in diesem Land zugeht, das werden wir Ungarn bestimmen; sie bekommen dafür zwei Puppen ins Schaufenster gesetzt.
-Der Artikel ist der eigene Standpunkt des Verfassers-
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