Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Der seit 2012 staatlich anerkannte Gedenktag der Vertreibung der Ungarndeutschen ermöglicht den ungarischen Staatsbürgern, so auch den Ungarndeutschen, dass man sich würdevoll an die Schicksalsschläge, die für uns die Vertreibung, die Entrechtung bedeuten erinnert. Bis zum heutigen Tag konnte man den Verlust, den die Vertreibung ausgelöst hat nicht verschmerzen und nicht verarbeiten: zirka jeder zweite Ungarndeutsche wurde vertrieben, und damit wurden die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete des Landes aufgebrochen, die als Basis der ungarländischen deutschen Minderheit gedient haben. Die Deutschen wurden quasi überall eine Minderheit, und dieser Umstand war und ist sehr gut für die Assimilationsprozesse, die bis heute vor unseren Augen ablaufen.
Der erste Schritt der Verarbeitung des Traumas ist, dass wir uns mit ihm auseinandersetzen. Wir müssen uns mit Franz Basch, dem Volksbund, den in Waffen-SS und Wehrmacht dienenden Väter, Großväter und Urgroßväter auseinandersetzen. Wir müssen uns mit den Opfern, die entrechtet in Viehwagons in die zerstörten Besatzungszonen Deutschlands deportiert wurden und dort ein neues Leben beginnen mussten, auch auseinandersetzen. Und nicht zuletzt, wir müssen uns mit den Verbliebenen und auch mit uns selbst auseinandersetzen.
Und die Verantwortlichen auch. Solange die „Staatsmänner“, die an der Vertreibung und Entrechtung der Ungarndeutschen teilgenommen haben, einen festen Platz im ungarischen nationalen Pantheon haben, können wir die Geschichte nicht aufarbeiten und nicht damit abschließen. Der kommunist Imre Nagy, der rechtsradikale Endre Bajcsy-Zsilinszky, der der Kleinlandwirtenpartei angehörende id. József Antall und viele andere, nach denen Straßen und Plätze benannt wurden und werden, haben einen großen Anteil an der Diffamierung der Ungarndeutschen, sie haben versucht unsere Existenz zu vernichten. Trotzdem werden sie verehrt.
Am 8. April wählt Ungarn ein neues Parlament. Wir hoffen, dass die Zusammensetzung der Nationalversammlung und dadurch der Regierung so sein wird, dass dieser Teil der ungarischen Erinnerungspolitik umgedacht wird. Was für eine Schande ist es, dass die ungarndeutschen Abgeordneten (egal, ob sie von Parteilisten oder von der Nationalitätenliste ins Parlament gelangen) in einer Nationalversammlung arbeiten müssen, deren imposantes Gebäude von zwei bekannten deutschfeindlichen Politikern umrandet wird: an der Donauseite befindet sich die Id.-Antall-József-Kai und aus der Richtung des Freiheitsplatzes schaut die Statue von Imre Nagy das Parlament…
Foto: mapio.net