Das Bild der Deutschen in der neuen kroatischen Literatur (Teil 1)

Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.

„Eigentlich bin ich in meiner Familie seit unzähligen Generationen der erste, der kein Deutsch spricht. Meine Mutter sprach Deutsch fast wie ihre Muttersprache. Ich spreche kein Deutsch. Und es gibt bei meinen Eltern und Großeltern psychologische Gründe dafür, dass sie mir kein Deutsch beigebracht haben.”

Miljenko Jergović ist der international bekannteste Gegenwartsautor Kroatiens, außerdem Kommentator und Kolumnist zahlreicher Medien. Jergović, mit wuschigem Vollbart und entspanntem Auftreten an einen Vertreter der Hippie-Generation erinnernd, sitzt im Vorgarten der Dorfkneipe neben dem Haus der freiwilligen Feuerwehr von Lukavec. Seit Jahren lebt er hier auf dem Land in der Nähe der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Jergović wurde 1966 im bosnischen Sarajevo geboren – in einer Familie, die sich zur kroatischen Nationalität bekannte, mütterlicherseits aber deutscher Herkunft war. Von dieser deutschen Herkunft handelt sein Opus Magnum, das 2017 in Deutschland erschienen ist: „Die unerhörte.

„Der Grund dafür, dass ich kein Deutsch spreche, liegt darin, dass einer meiner Onkel im Zweiten Weltkrieg als deutscher Soldat fiel. Die Deutschen hatten ihn gerade deshalb eingezogen, weil er Deutsch sprach. Wahrscheinlich sind meine Eltern und Großeltern unbewusst davon ausgegangen, dass es für mich besser und sicherer wäre, wenn ich kein Deutsch sprechen würde. Das ist natürlich eine komische Annahme. Aber so war es.”

Ludwig Bauer: ein Mann der leisen Töne

„Meine erste Begegnung mit dem Deutschen war unbewusst. Vor allem meine Tante, die Schwester meines Vaters, hat mir Deutsch beigebracht. Als ich ein kleines Kind war, hat sie auf mich aufgepasst, während meine Mutter den ganzen Tag arbeitete, um den Lebensunterhalt zu verdienen. So wurde für mich Deutsch zur ersten Sprache.”

Ludwig Bauer ist eine Generation älter als Miljenko Jergović. Er kam 1941 in Sisak zur Welt, 50 Kilometer südlich von Zagreb. Bauer, ein Mann der eher leisen Töne, empfängt in seiner sorgsam eingerichteten Wohnung am „Kvatrić”, einem bekannten Platz im Zentrum der kroatischen Hauptstadt. Bauers Bücher handeln seit den späten 1980er-Jahren vom Schicksal der jugoslawischen Deutschen.

„Am Ende des Zweiten Weltkriegs durfte ich als Kind plötzlich nicht mehr Deutsch sprechen. Ich konnte das nicht ganz verstehen. Die Erziehungsmethoden waren damals andere – andere Zeiten, andere Sitten. Für jedes deutsche Wort bekam ich Schläge. Daraus ergab sich ein Trauma. Ich verdrängte das Deutsche und sprach immer besser Kroatisch.”

Ein Donauschwabe, der sich nicht als Deutscher fühlt

„Um ganz ehrlich zu sein: Als Deutscher habe ich mich nie gefühlt, trotz meiner Herkunft. Auch ist mir nie eingefallen, Deutsch zu schreiben. Ich bin ein kroatischer Schriftsteller. Alles, was für mich von Bedeutung ist, fällt mir auf Kroatisch ein – auch dann, wenn ich in Deutschland Deutsch sprechen muss.”

Slobodan Šnajder, 1948 in Zagreb geboren, entstammt väterlicherseits der Gruppe der Donauschwaben. Heute lebt er in seiner Geburtsstadt und auf einer kleinen dalmatinischen Insel – ein Mann Ende sechzig mit gestutztem Schnurrbart, der sich resigniert gibt, aber auch schneidig auftreten kann. Šnajder war bereits im sozialistischen Jugoslawien ein anerkannter Theaterautor. Seine Stücke, vor allem sein „Kroatischer Faust”, werden auch in Deutschland und anderswo gespielt.

2015 legte Šnajder seinen zweiten Roman vor – „Das eherne Zeitalter”. Er handelt vom deutschen Vater des Autors, einem Angehörigen der Waffen-SS. Und von seinen Vorfahren, armen deutschen Bauern, die sich im 18. Jahrhundert auf der Suche nach einem besseren Leben in Slawonien niederließen, fruchtbarem Land im Osten Kroatiens, das lange Zeit zur Habsburgermonarchie gehörte. Heute spricht Šnajder zwar Deutsch, aber es ist nicht das Deutsch seiner Vorfahren, an das er sich nur vage erinnern kann. Es ist für ihn eine Fremdsprache, die er sich als Philosophiestudent und bei Theatergastspielen in Deutschland aneignete.

„Auf Deutsch kann ich mich relative präzise zu politischen und philosophischen Fragen äußern. Dafür ist diese Sprache ja auch da, oder? Aber wenn es um meine Mutter geht, um die Liebe, um Krankheiten, dann rutsche ich in meine eigentliche Muttersprache.”

Weiterlesen:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/das-bild-der-deutschen-in-der-neuen-kroatischen-literatur.976.de.html?dram%3Aarticle_id=390939

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