Die Branauer Susanne Petz über ihre Begegnung mit der deutschen Identität
Wenn ich an mein nationales beziehungsweise Nationalitätenerbe denke, kommt mir in den Sinn, wer ich bin und was ich von meiner Nationalität bekommen und ihr zu verdanken habe.
Als Kleinkind hat mich diese Frage gar nicht beschäftigt, bis wir nach Nadasch / Mecseknádasd umgezogen sind. Das ganze Dorf strahlt eine zauberhafte Atmosphäre aus. Im Tal des Metschek-Gebirges, wo der Bach fließt, stolze Bauernhäuser und Weinkeller Seite an Seite stehen, mit den alten Einwohnern, die immer ein paar nette Worte für die Fußgänger haben. Da fing meine Geschichte an.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag im Schlossgarten-Kindergarten. Ich bin ängstlich in der Tür gestanden. Die Kindergartengruppe hat mich freundlich begrüßt, erstmal auf Ungarisch, dann auf Deutsch. Obwohl ich gar kein Wort verstanden habe, klang alles wohlbekannt, weil die Familie meiner Tante zu Hause immer diese Sprache benutzte. Aber wir nicht, und deswegen hatte ich natürlich eine Menge Fragen, die meine Mutter hilfsbereit beantwortete. So habe ich erfahren, dass mein Großvater „schwäbisch” war und sein Vater im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat und mein Ururgroßvater einen sehr berühmten Hirsch in Salka erschossen hat. So habe ich auch erfahren, dass meine Oma mit ihrer Familie mit dem Zug aus der Tschechoslowakei gekommen ist, weil sie ihre Heimat verloren hat. Als ich sie gefragt habe, was ich bin, antwortete sie, dass es darauf ankomme, wie man sich fühlt. Das machte mich glücklich, weil so konnte ich mich gleichzeitig mit beiden Nationalitäten verbunden fühlen. Mein Kenntnissstand bezüglich dem Erbe des Ungarndeutschtums wurde von Tag zu Tag breiter. Obwohl ich gegenüber den anderen immer im Rückstand war, bin ich meiner Nadascher Klassenleiterin Frau Elisabeth Dékány sehr dankbar, die mich immer motivieren konnte und die beste Leistung aus mir herausholte.
Aber nicht nur in der Schule habe ich viel gelernt, diese ganze Kultur umkreiste mich stets. Einfach, wenn ich draußen auf die Straße war, habe ich gehört, wie sich die Alten im Dialekt unterhielten. Die Bräuche des Dorfes wurden bald unsere Bräuche, und ich war stolz darauf, dass ich in so einer Gemeinschaft Mitglied sein konnte.
Einmal hat mich jemand gefragt, wie bei mir diese ungarndeutsche Identität entstanden ist, und ich sagte: „Keine Ahnung! Ich habe die ganze Zeit meines Lebens mit Ungarndeutschen verbracht. Ehrlich gesagt kann ich es mir nicht vorstellen, wie das Leben in einer anderen Gemeinschaft sein könnte.” Dann ist es mir bewusst geworden, dass ich nicht wählen musste, weil das Ungarndeutschtum mich gewählt hat.