Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Über meinen Weg zum Ungarndeutschtum
Als ein geborener Fünfkirchner war mir immer bekannt, dass es eine große deutsche Minderheit in Ungarn gibt, jeder Vierte meiner Klassenkameraden hatte einen deutschen Familiennamen und alle hatten eine Geschichte über Großeltern, die gar kein Wort auf Ungarisch konnten. Ich gehörte zu dieser Gruppe mit deutschem Namen, und wir hatten noch was gemeinsam außer dem Namen: Wir gehörten einer Gruppe an, die zu 100% assimiliert wurde.
Das Deutschtum war nicht oft ein Thema in meiner Familie, es war aber jedem klar, dass man unter den Vorfahren neben anderen viele deutsche Namen findet. Die Anekdoten über den Opa, der in Dortmund geboren ist, über die Urgroßmutter, die aus Schlesien stammte, hatten einen großen Eindruck auf mich, aber das war nie so wichtig, dass ich mich damit beschäftigt hätte. Ich habe viel über die traurige Geschichte des ungarischen Volkes und über die Auslandsungarn gehört, deren Schicksal immer in Gefahr war. Ich kümmerte und kümmere mich um sie, habe viele Bekannte, Freunde aus der Slowakei und aus anderen ehemaligen Landesteilen.
Eines Tages vor vier Jahren habe ich über meine Identität nachgedacht, und ich fühlte, dass nicht alles in Ordnung ist, dass ich nicht konsequent bin. Wenn ich an die Auslandsungarn Erwartungen stelle, dass sie ihre Identität, ihre Sprache behalten, auch dann, wenn sie nur teilweise Ungarn sind, dann gilt diese Erwartung auch für mich. So begann meine Geschichte mit dem Ungarndeutschtum.
Als erster Schnitt wollte ich andere Leute finden, die ähnlich denken wie ich. Ich versuchte bei der GJU, bei anderen Organisationen, aber ich bin immer gegen unsichtbare Wände gestoßen. Es wurde mir nirgendwo gesagt, dass es recht gut ist, dass ich was für unsere Volksgruppe machen will. Nirgendwo… außer auf einer Facebook-Seite.
Ich habe die damals noch aktive Facebook-Seite „Ungarndeutsche Zukunft” gefunden und dahinter eine solche Gruppe, die sehr offen für neue Leute war. Das war der Verein Deutscher Hochschüler. Bei der Arbeit dieser Seite und im VDH konnte ich tätig werden, aber das war mir nicht genug, deswegen habe ich den Budapester Freundeskreis der GJU mit meinen Freunden gegründet.
Es gibt Identitätskrisen im Leben von jedem, das war bei mir auch so. Was bin ich, wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich, diese sind die Hauptfragen. Bin ich Deutscher? Bin ich Ungar? Die Antwort wurde mir erst danach klar, als ich das meiner Meinung nach beste Zitat Jakob Bleyers gefunden habe:
Wir sind stolz darauf, Söhne eines tausendjährigen Vaterlandes zu sein, das solch große Könige hervorbrachte wie der Heilige Stephan und Matthias Corvinus von Eisenmarkt, und solch große Staatsmänner wie Nikola Zrinski (Miklós Zrínyi), István Graf Széchenyi und Lajos Kossuth, aber wir sind auch darauf stolz, dass wir einer Sprach- und Kultur gemeinschaft angehören, die einen Goethe, Kant und Beethoven hat.
– Jakob Bleyer
Die Antwort ist einfach. Also beide. Ich bin Ungar und ich bin Deutscher, ich bin Ungarndeutscher. Das bedeutet mir ungarndeutsch zu sein, zwei Völker zu haben, mich um zwei Völker zu kümmern.