Das Schicksal der Bukowinadeutschen

Ein Artikel aus 1951 – der im Büchlein „Aus donauschwäbischem Erbe“ von Hans Diplich (1952) gefunden wurde – berichtet:

Für eine kleinere Gruppe von Bukowinadeutschen findet die schon zehn Jahre währende Irrfahrt ihren Abschluss. Als die ehemaligen Kolonisten aus der Bukowina (etwa 80 000 Seelen) aus Bessarabien (80 000) und der Dobrudscha (12 000) aufgefordert wurden, ihre Heimat zu verlassen, hatte man ihnen Haus und Hof, Arbeit und sichere Lebensstellungen zugesichert. Sie wurden nach Deutschland „umgesiedelt“ kamen teilweise in die neubesetzten Ostgebiete, andere wurden in Lager eingewiesen, die sie erst in diesen Wochen wieder verlassen sollten.

Über alle staatlichen Planungen und Erwägungen der Gegenwart hinweg streben die heimatlos gewordenen und entwurzelten Dorfmenschen des Südostens wieder in Verhältnisse hinein, ihnen ihre alte Berufsbetätigung gewährleisten. Ein ungebrochenes Bauerntum hält Lebensform fest und hat wenig Verständnis für die langsamen, schleichenden Formen, in denen heute überall in der Welt Entscheidungen getroffen werden. Wieder zieht ein Frühling ins Land, das Geschehen in der Natur ruft den Bauern an, in den Flüchtlingslagern und Notunterkünften bleibt ihm aber die Betätigung verwehrt: Der Bauer ohne Ackerboden kann und darf nicht säen und ernten. Er soll warten dem beschämenden und entwürdigenden Gefühl, anderer Leute Brot zu essen.

Wie gerne er eine Gelegenheit zur Arbeit ergreift, wenn sich ihm eine bietet, haben wir vor zwei Jahren mit einer Gruppe von Banater Schwaben erlebt, die aus den Massenlagern Österreichs nach Frankreich zog (etwa 5 000 Seelen), als ihnen dort eine Möglichkeit zu neuer Anwurzelung öffnete.
Und nun ist in diesen Tagen der erste geschlossene Transport von Bukowinadeutschen übers Meer, nach Venezuela ausgezogen. Das Angebot der venezuelischen Regierung und des Nationalen Agrarinstitutes in Caracas ist verlockend. Die Siedler sollen ein Haus, ein der Kopfzahl der Familie entsprechendes Stück Ackerland und Geräte auf Abzahlung erhalten. Dieser weitherzigen und großzügigen Planung stehen die Härten gegenüber, die von den Siedlern bewältigt werden sollen: ungewohnte klimatische Verhältnisse, ein fremdes Land mit fremder Sprache, die Umstellung auf eine völlig anders geartete Vegetation und Arbeitsweise und die Schwierigkeiten jedes Anfangs.

Nach genauen Erkundungen und Urteilen von Fachleuten wird ein gedeihliches Fortkommen der Bukowiner möglich sein. Die Siedlungsaktion liegt in den Händen eines Priesters. Pfarrer Kurt B e n s c h ist selbst Bukowiner und betreut seine Landsleute seit ihrer Umsiedlung nach Deutschland. Er kennt alle ihre Sorgen, Nöte und Anliegen und strebt seit 1945 im Rahmen der Kirchlichen Hilfsstelle Frankfurt danach, für die ihm anvertrauten Heimatlosen wieder eine Existenzgrundlage zu finden. Pfarrer Bensch war im Sommer des vergangenen Jahres einer Einladung der venezuelischen Regierung gefolgt und verbrachte mehrere Monate in Venezuela. Er hatte Gelegenheit, das Angebot der Regierung auf Fahrten und Besuchen in den künftigen Siedlungsgebieten persönlich zu prüfen, und nachdem er sich auch mit der deutschen Regierung in Bonn ins Einvernehmen gesetzt hatte, konnte er die erste Auswanderergruppe von 30 Familien mit 152 Köpfen zusammenstellen.

Am Vormittag des 14. Feber waren sie alle im Durchgangslager Dachau versammelt. Aus allen Zonen und Ländern Westdeutschlands hatten sie sich eingefunden, Männer, Frauen und Kinder. Zum Abschied wurde eine heilige Messe gefeiert. Als Msgr. A. B ü t t n e r den Anwesenden mit einfachen Worten den Entschluss der Bukowiner zur Auswanderung in ein sinnvolles Geschehen einflocht, den Leidensweg beschrieb, den die Umsiedler aus der Bukowina zehn Jahre gehen mussten, da wurden die dem Fernziel bereits zugewandten Herzen weich und Tränen flossen.

Nun werden sie bald wieder eigenen Grund und Boden bearbeiten. Sie dürfen wieder Bauernsiedler sein wie die Vorfahren vor zweihundert Jahren. Unwillkürlich wird man angesichts dieser entschlossenen Menschen an das gewaltige Aufbauwerk erinnert, das von den Vorfahren der Südostdeutschen ‘einst im südöstlichen Teil Europas geleistet wurde. Für Augenblicke ersteht die große Kulturtat Altösterreichs vor uns, dessen beste Vertreter durch ein hartes Los auf die Wanderstraße der Kontinente getrieben wurden. Unvergessen bleibt das schöne, einstige Kronland des Wiener Erzhauses, die Bukowina mit ihren Wäldern und Bergen, mit ihren deutschen und rumänischen Dörfern und den Städten, von denen Czernowitz die östlichste deutsche Universität beherbergte.

Das große Siedlungswerk der Habsburger ist dahin. Durch Jahrhunderte hat das Kaiserhaus Europa vor den Türken geschützt und Wacht gehalten an der Donau und jenseits der Karpaten. Zwanzig Jahre nach der Zerstörung Österreichs ging es auch mit den Deutschen dieser Gebiete zu Ende. . Aber nun werden alle Nöte und alles Leid getilgt durch das neue Vorhaben, das unsere Auswanderer beseelt. Sie werden wieder Ackerbauern und schaffen Brot. Den Weg dazu hat ihnen einer ihrer Priester gezeigt, auf den die Landsleute und ehemaligen Pfarrkinder vertrauen.

Als am späten Nachmittag Weihbischof Neuhäus1er die Auswanderer vor dem Abflug segnet und die Flugmaschine unsere Landsleute und ihre letzte Habe emporhebt, bleiben wir zurück, ein wenig wehmütig, aber doch zuversichtlich und wissend, dass solches Beginnen belohnt wird.

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